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Evolution

Zeitreise zur ersten Ur-Zelle

Forscher rekonstruieren 3,5 Milliarden Jahre altes Enzym des Vorfahren allen Lebens

Rekonstruktion eines Enzyms aus der Frühzeit der Evolution. © Rainer Merkl

Einblick in die Anfänge der Evolution: Wie der gemeinsame Vorfahre allen Lebens tatsächlich aussah, ist unbekannt. Deutsche Forscher haben jedoch mit bioinformatischen Methoden die Zeit zurückgedreht und zumindest Hinweise auf dessen Stoffwechsel gefunden. Sie haben ein Enzym rekonstruiert, das vor 3,5 Milliarden Jahren existiert haben könnte. Im „Journal of the American Chemical Society“ berichten sie, wie wenig sich seitdem verändert hat.

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Das Leben auf unserem Planeten hat sich über Milliarden von Jahren entwickelt. Nach gängigen Theorien existierte vor etwa 3,5 Milliarden Jahren ein einzelliger Organismus, von dem alles heutige Leben abstammt. Diese Ur-Zelle bezeichnen Wissenschaftler als den „letzten gemeinsamen Vorfahren“ oder auch LUCA, vom englischen „Last Universal Common Ancestor“. Fossilien oder ähnliche Überbleibsel dieses theoretischen Vorfahren gibt es keine. Und selbst die tatsächlich vorhandenen Fossilien ausgestorbener Mikroorganismen aus jüngerer Zeit verraten nichts über den Stoffwechsel dieser mikrobiellen Vorfahren. Wie effizient etwa Enzyme in dieser frühen Phase der Evolution auf unserem Planeten waren, und wie sehr sie den heute vorhandenen ähneln, lässt sich also nur schwer beantworten.

Rekonstruktion im Computer

Mit bioinformatischen Methoden haben Forscher der Universität Regensburg jedoch rekonstruiert, wie ein Enzym des LUCA ausgesehen haben könnte. Aus den Strukturen ähnlicher Enzyme ist es möglich, Rückschlüsse über den Verwandtschaftsgrad verschiedener Organismen zu treffen. Genauso ist es möglich, aus den Unterschieden und Gemeinsamkeiten die wahrscheinliche Struktur der Enzyme eines gemeinsamen Vorfahren zu berechnen.

Mit Hilfe des Computers sind die Wissenschaftler aus Regensburg damit bis in die Zeit des LUCA zurückgegangen: Anhand von 87 Varianten der Enzyme HisF und HisH aus sieben verschiedenen Archaeen- und Bakteriengattungen rekonstruierten sie die Zusammensetzung des Enzyms HisF. Dieses Enzym produziert die Aminosäure Histidin. Die Forscher gehen davon aus, dass der allererste Mikroorganismus diese grundlegende Funktion bereits beherrschte.

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Urzeit-Enzym bis heute kaum verändert

Doch allein mit dem Bauplan des Enzyms im Computer waren die Wissenschaftler noch nicht zufrieden: Sie pflanzten einem Stamm Escherichia coli-Bakterien ein Gen für das rekonstruierte Enzym ein. Anhand des produzierten Urzeit-Enzyms untersuchten sie dessen Eigenschaften im Labor genauer und fanden Erstaunliches herausSowohl die Struktur als auch die Aktivität des Enzyms stimmen im Wesentlichen mit seiner heutigen Variante überein.

Die Regensburger Forscher gehen deshalb davon aus, dass die Evolution von hochspezialisierten Enzymen und Enzymkomplexen bereits in der LUCA-Ära vor 3,5 Milliarden Jahren weitestgehend abgeschlossen war. Diese Überlegung hat Konsequenzen für unser allgemeines Verständnis der biologischen Evolution: Die elementaren Bausteine des Lebens haben sich demnach über Jahrmilliarden nur wenig verändert. Stattdessen haben sich in späteren Phasen der Evolution komplexe Proteininteraktionsnetzwerke entwickelt, die zum Entstehen der höheren Arten führten.

(JACS, 2014; doi: 10.1021/ja4115677)

(Universität Regensburg, 03.02.2014 – AKR)

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