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Neurobiologie

Stress: Können Leidengenossen helfen?

Bei Stress hilft der Austausch mit gleichermaßen Gestressten mehr als mit entspannten Mitmenschen

Austausch mit Leidensgenossen hilft besser als mit Entspannten © SXC

Angst vor einer Präsentation? Oder Lampenfieber vor einem Auftritt? Was dagegen am besten hilft, haben US-Forscher jetzt untersucht. Ihr überraschendes Ergebnis: Nicht etwa die Gegenwart eines ruhigen, entspannten Menschen senkt das Stressniveau am effektivsten, sondern der Austausch mit einem Leidensgenossen – einem Menschen, der unter dem gleichen Stress leidet wie wir.

Die einen würden sich lieber aus einem Flugzeug stürzen als öffentlich sprechen zu müssen, andere genießen hingegen Bühnenauftritte geradezu, verfallen aber beim Gedanken an Fallschirmspringen in Angststarre. Wie stark bestimmte Situationen Stress in uns auslösen, ist individuell sehr unterschiedlich. Aber was hilft am besten gegen den Stress? Intuitiv würde man denken, dass ein anderer Mensch, der selbst ruhig und entspannt ist, in dieser Situation am beruhigendsten wirkt.

Sarah Townsend von der University of Southern California in Los Angeles und ihre Kollegen haben in einem Experiment überprüft, ob das tatsächlich so ist. Dafür sollten sich 52 Studentinnen darauf vorbereiten, eine Rede vor laufender Kamera zu halten. Alle wurden befragt, wie stressend sie diese Aufgabe empfanden und ob sie Angst vor dieser Art von öffentlichen Auftritten haben. Um das Stressniveau auch objektiv erfassen zu können, testeten die Forscher zudem, wie viel von dem Stresshormon Cortisol die Probandinnen vor, während und nach der Rede im Körper hatten.

Stress plus Stress gleich Entspannung

Der eigentliche Test aber begann kurz vor der Rede: Die Wissenschaftler stellten die Teilnehmerinnen zu verschiedenen Zweierteams zusammen, die sich über die bevorstehende „Mutprobe“ unterhalten sollten. Dabei kombinierten sie entweder zwei gleichermaßen Ängstliche, zwei eher ruhige oder aber eine Gelassene und eine gestresste Probandin miteinander.

Das Ergebnis: Entgegen der landläufigen Vorstellung half den gestressten Teilnehmerinnen der Austausch mit einer sehr viel ruhigeren Partnerin kaum, ihr Stressniveau blieb gleich hoch. Anders dagegen, wenn sich zwei gleichermaßen Gestresste austauschten: Sie entspannten sich, fühlten sich nach eigener Aussage ruhiger und auch der Gehalt an Cortisol sank bei ihnen messbar ab. In diesem Fall gilt offenbar: Geteilter Stress ist halber Stress.

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Lehren für den Job

Diese Erkenntnis könnte gerade am Arbeitsplatz wichtig sein – denn gerade hier leiden viele Menschen unter Dauerstress. Das wirkt sich nicht nur negativ auf die Gesundheit der betroffenen aus, auch die Produktivität leidet. Nach Ansicht der Forscher kann hier die richtige Zusammenstellung eines Teams schon viel dazu beitragen, das Stressniveau zu senken. „Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten mit jemandem gemeinsam an einem wichtigen Projekt, wegen seiner großen Bedeutung stehen Sie stark unter Stress“, so Townsend. „Wenn Sie dann einen Kollegen oder Kollegin haben, dem es ähnlich geht, dann kann das ihren Stress verringern.“

Stellt sich allerdings die Frage, wie realistisch es ist, am Arbeitsplatz Teams nach diesen Kriterien zusammenzustellen. Townsend und ihre Kollegen wollen dies nun weiter erforschen. „Die Frage ist nun, ob so etwas möglich ist und ob Gruppenleiter emotionale Harmonie in einer Arbeitsgruppe fördern können“, so die Forscherin. (Social Psychological and Personality Science,2014; doi: 10.1177/1948550613511499)

(SAGE, 31.01.2014 – MVI/NPO)

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