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Geowissen

Tiefer Erdmantel voller Turbulenzen

Seismische Wellen bringen neue Erkenntnisse über Mannl-Kern-Grenzschicht

Abgesehen vom gelegentlichen Erdbeben oder Vulkanausbruch scheint die Erdoberfläche eine geologisch gesehen eher ruhige und friedliche Gegend. Anders dagegen das Erdinnere. Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Region unter der Oberfläche erheblich dynamischer und turbulenter ist als bislang angenommen. Tief im Inneren, wo der Erdmantel auf den geschmolzenen Eisenkern trifft, haben Forscher verräterische Anzeichen für ein hochaktives Gebiet entdeckt.

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“Diese Schicht ist erheblich komplexer, als wir noch vor rund zehn Jahren angenommen haben”, erklärt der Seismologe Edward Garnero von der Arizona State Universität. „Es ist eine superdynamische Situation, wahrscheinlich sogar der exotischste Teil des gesamten Erdinneren. In diesem Gebiet, wo der Mantel den Kern trifft, auf halbem Wege zum Mittelpunkt der Erde, übertrifft der Wechsel der Dichten den Übergang zwischen Luft und Gestein an der Oberfläche um ein Mehrfaches.“

Blick in turbulente Tiefen

Garnero und ein Team von Seismologen unter anderem der Universität von Oslo und der Universität von Kalifornien haben kürzlich eine Studie des Erdinneren abgeschlossen, deren Ergebnisse jetzt in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science veröffentlicht werden. Die Forscher identifizierten eine ungewöhnliche Schichtung im Erdinneren, die Aufschluss über die Strömungen und Wirbel in den Tiefen geben könnte.

Der tiefe Mantel, den das Team mithilfe von seismischen Wellen untersuchte, umfasst eine mehrere hundert Kilometer dicke, D“ genannte Zone. In ihr trifft das Silikatgestein des Mantels auf das flüssige Eisen des äußeren Erdkerns. Die Wissenschaftler maßen die in Nordamerika ankommenden Vibrationen seismischer Wellen, die bei Erdbeben in Südamerika entstanden. Dies erlaubte es ihnen, gezielt die D“-Schicht unter Mittelamerika und der Karibik zu untersuchen.

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Übergangszone komplexer als angenommen

Dabei entdeckten Garnero und seine Kollegen unerwartete Ablenkungen in der Schwingungsrichtung der Wellen, die sie auf den tiefen Mantel als Quelle zurückführen konnten. „Wir registrierten Veränderungen in der Richtung der Wellen innerhalb eines relativ kleinen Gebiet von wenigen hundert Kilometern“, erklärt Garnero. „Wir denken, dass es dort Strömungen und Turbulenzen über geologische Zeitperioden hinweg geben muss, die ziemlich stark sind und auf kurze Distanzen wirken, um die Dinge so aufzumischen, dass das Material so ausgerichtet wird.“

Das einst horizontale Gestein des tiefen Mantels ist um 20 Grad gekippt und die Wellenveränderungen deuten auf eine komplexe Formation hin, die sich wölbt und verformt, wenn sich der flüssige Eisenkern entlang des Mantelbodens bewegt. „An der Mantel-Kern-Grenzschicht gibt es einen gewaltigen Dichteunterschied“, erklärt Garnero. „Der Übergang vom silikat-basierten Gestein des Mantels zu einem flüssigen Eisenmaterial geschieht sehr schnell. Die Umgebung trägt alle Anzeichen dafür, dass sie erheblich komplexer sein könnte, als es von der Oberfläche aus den Anschein hat.“

“Das Zentrum unseres Planeten gilt als so heiß wie die Oberfläche der Sonne, daher ist dies ein Planet, der eine ganze Weile zum Abkühlen braucht. Und dies geschieht durch dieses Innere Durchmischen“, ergänzt der Forscher. Seiner Ansicht nach tragen diese Ergebnisse dazu bei, die heutige Sicht der Vorgänge im Erdinneren grundlegend zu verändern.

“In den letzten zehn bis 15 Jahren haben wir die Bedeutung der Erforschung der untersten hundert Kilometer des Mantels erkannt. Diese Arbeit ist essenziell für das Verständnis der Konvektion und Strömungen des Erdinneren und der Kräfte, die die Bewegungen, die wir an der Oberfläche sehen, antreiben“, so Garnero.

(Arizona State University, 12.10.2004 – NPO)

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