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Biologie

Lärm in der Jugend lässt Grashüpfer höher zirpen

Umwelteinfluss im Larvenstadium stellt die Weichen für die Umweltanpassung

Nachtigall-Grashüpfer © Ulrike Lampe

Heuschrecken-Männchen in der Nähe von Autobahnen singen in höheren Frequenzen als Artgenossen in ruhigen Gebieten. Dadurch haben sie trotz Lärm eine Chance, von ihren Partnerinnen gehört zu werden. Bielefelder Forscher fanden nun heraus: Die Insekten lernen schon im Larvenalter, sich an die laute Umgebung anzupassen. Waren sie in ihrer Jugend Lärm ausgesetzt, singen sie später höher, egal wie laut es dann tatsächlich ist. Die neue Studie wurde jetzt im Fachmagazin „Functional Ecology“ publiziert.

Straßenlärm lässt Grashüpfer höher zirpen

Es ist bereits bekannt, dass Grashüpfer mit höherer Frequenz zirpen, um sich auch bei starkem Verkehrslärm in ihrem Lebensraum für Weibchen hörbar zu machen. Wissenschaftler um Tim Schmoll von der Universität Bielefeld wollten nun herausfinden, auf welchem Wege diese Anpassung geschieht. Denn dafür kommen zwei Mechanismen in Frage: Entweder, sie gewinnen auf neue Fähigkeiten hinzu, beispielsweise durch eine genetische Mutation, oder sie nutzen bereits vorhandene Fähigkeiten um sich anzupassen. „Erst durch die genaue Kenntnis der zu Grunde liegenden Mechanismen können wir ein umfassendes Verständnis dafür entwickeln, wie Tiere auf Umweltlärm reagieren“, sagt Schmoll.

Um dem Mechanismus auf die Spur zu kommen, fingen die Forscher Larven des Nachtigall-Grashüpfers an verschiedenen Standorten ein und verfrachteten die Tiere ins Labor. Die Hälfte der eingefangenen Tiere stammte dabei aus der Nähe einer Autobahn und damit aus einem lauten Lebensraum, die andere Hälfte von ruhigen Wiesen weitab der Autobahn. Jeweils der Hälfte der Tiere von beiden Standorttypen wurde dann Verkehrslärm vom Band vorgespielt, die anderen dagegen ohne solchen Krach aufgezogen. Als erwachsene Tiere ließen die Forscher die Männchen unter standardisierten, lärmarmen Bedingungen singen und beobachteten, ob dabei Unterschiede in der Tonhöhe auftraten.

Bisher kaum beachteter Mechanismus

„Die Männchen, die im Labor unter Autobahnlärm aufgewachsen sind, produzierten Gesänge mit höheren Frequenzen und zwar unabhängig von ihrer Herkunft“, erläutert Ulrike Lampe, ebenfalls eine Autorin der Studie. Dies lasse darauf schließen, dass die Grashüpfer auch ohne genetische Anpassung bereits zu höheren Frequenzen in der Lage sind, wodurch sie unmittelbar auf den Verkehrslärm etwa einer nahen Autobahn reagieren können. Diese Art der Anpassung bezeichnen die Forscher auch als phänotypische Plastizität. „Das wurde bisher kaum beachtet“, berichtet Lampe. „Wir denken daher, dass unsere Ergebnisse auch für Forschung an anderen betroffenen Tiergruppen wie Vögeln oder Fröschen wichtig sein könnten.“

Aber auch die Herkunft scheint zumidnest zum Teil eine Rolle zun spielen: Mnännchen aus Populationen nahe der Autobahn zeigten mehr Anteile mit höheren Frequenzen in ihrem Zirpen und machten zudem weniger Pausen. Dies taten sie ganz unabhängig von ihren Aufzuchtbedingungen, und obwohl sie mehr als die Hälfte ihres Larvenstadiums sowie ihr gesamtes Erwachsenenleben im Labor verbracht hatten. Dazu spekuliert Abteilungsleiter Klaus Reinhold: „Vielleicht ist der lange nachwirkende Herkunftseffekt die Reaktion auf die vor dem Fang – also im frühen Larvenstadium – erfahrene Lärmumwelt, die wir mit dem Experiment nicht manipulieren konnten.“ Demnach wäre bereits Lärm während der frühesten Entwicklungsstufe der Grashüpfermännchen entscheidend für das spätere Zirpen. Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob die veränderten Gesangsmuster der Autobahn-Populationen auf genetischen Veränderungen beruhen, die sich im Laufe der Zeit dort durchgesetzt haben, muss nun noch erforscht werden. (Functional Ecology, 2013; doi: 10.1111/1365-2435.12215)

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(Universität Bielefeld, 13.12.2013 – AKR)

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