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Medizin

Versteckter Krankmacher in Arzneimitteln

Erhöhtes Infarkt-Risiko durch Natrium in Brausetabletten und löslichen Medikamenten

Brausetabletten enthalten oft viel verstecktes Natrium © SXC

Zu viel Salz gilt als ungesund. Aber wie sich jetzt zeigt, versteckt sich das Natriumchlorid auch dort, wo man es am wenigsten erwartet: in Arzneimitteln. Besonders Brausetabletten und andere lösliche Medikamente können so natriumreich sein, dass allein durch ihre Einnahme die maximale Tagesdosis überschritten wird. Eine dauerhafte Einnahme solcher Mittel erhöht das Risiko für Bluthochdruck um das Siebenfache, das für Herzinfarkt und Schlaganfall um immerhin noch 16 Prozent, wie britische Forscher im Fachmagazin „British Medical Journal“ berichten.

„Zu viel Salz im Essen ist ein großes Gesundheitsproblem weltweit“, erklären Jacob George vom Ninewells Hospital and Medical School im schottischen Dundee und seine Kollegen. Viele Mediziner gehen davon aus, dass ein dauerhaft übermäßiger Salzgenuss Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern kann. Unter anderem deshalb empfiehlt beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen, nicht mehr als fünf Gramm Natriumchlorid pro Tag zu sich zu nehmen. Viele Patienten, die an Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, versuchen daher, jedes bisschen Salz zu viel zu vermeiden – ohnehin schon ein mühsames Unterfangen.

Versteckt in der Brausetablette

Doch gerade wer häufiger Aspirin, Paracetamol oder auch Kalzium in Form von Brausetabletten einnimmt, schluckt damit auch reichlich verborgenes Natrium – einen der beiden Bestandteile von Kochsalz. Denn im Gegensatz zu Kapseln oder normalen Tabletten, die zum Schlucken gedacht sind, wird löslichen Tabletten und Brausetabletten Natrium zugesetzt, um sie löslicher zu machen und die Aufnahme des Wirkstoffs in den Körper zu verbessern.

So enthält bereits eine lösliche Tablette mit 500 Milligramm Paracetamol 18,6 Millimol Natrium. „Nimmt man davon die maximale Dosis von acht Tabletten pro Tag, erreicht man bereits 148,8 Millimol Natrium“, berichten die Forscher. Das aber bedeute, dass man bereits mit diesem einen Medikament die empfohlene Tagesdosis von 106 Millimol Natrium pro Tag überschreitet – und das, ohne es zu ahnen.

Mehr Herzinfarkte, häufiger Bluthochdruck

Welche Folgen dieser verborgenen Natriumüberschuss haben kann, untersuchten George und seine Kollegen in einer Langzeitstudie. Sie werteten dafür die Daten von knapp 300.000 britischen Patienten aus, die zwischen 1987 und 2020 bei ihrem Hausarzt waren und dabei mindestens zweimal ein natriumreiches Arzneimittel oder sein natriumarmes Gegenstück verschrieben bekommen hatten. Die Wissenschaftler prüften, wie viele Teilnehmer in der Laufzeit eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickelten und ob ein Zusammenhang zur Medikamentengabe existierte.

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Die Auswertung ergab tatsächlich Unterschiede zwischen den Patienten, die Aspirin, Paracetamol oder andere Arzneimittel in der löslichen oder Brauseform erhalten hatten und denjenigen, die die konventionellen Tabletten zum Schlucken bekamen. Die Patienten, die die lösliche Variante einnahmen, hatten ein im Durchschnitt 16 Prozent höheres Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine andere Herz-Kreislauf-Krankheit, wie die Forscher berichten. Das Risiko für Bluthochdruck war sogar siebenfach höher als bei Patienten mit der gleichen Dosis, aber in nicht-löslicher Form. Das galt auch dann noch, wenn weitere Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Diabetes und bereits vorhanden Gefäßerkrankungen mit einbezogen wurden.

Kennzeichnung bisher nicht vorgeschrieben

„Um diese Ergebnisse in den Kontext zu bringen: Die mittlere Einnahme von Natrium nur durch die löslichen Medikamente lag bei den Probanden unserer Studie bei 106, 8 Millimol pro Tag“, berichten George und seine Kollegen. Die Studienteilnehmer hatten damit bereits die empfohlene Höchstmenge Natrium überschritten, ohne dass nur eine einzige Mahlzeit mit einberechnet wurde.

„Seltsamerweise müssen Pharmaunternehmen – im Gegensatz zu Lebensmittelherstellern – den Natriumgehalt ihrer Medikamente bisher nirgendwo deklarieren“, betonen die Forscher. Das müsse sich angesichts dieser Ergebnisse ändern. Als Minimum sollte die Öffentlichkeit über die potenziellen Gefahren durch natriumreiche Medikamente gewarnt werden. Der Natriumgehalt von Arzneimitteln müsse in Zukunft genauso eindeutig deklariert werden, wie es bei Lebensmitteln oder Mineralwasser heute schon der Fall sei, fordern sie. Ärzte sollten zudem nur dann die löslichen oder sprudelnden Formulierungen verschreiben, wenn es medizinisch notwendig sei und ansonsten auf natriumarme Standardtabletten zurückgreifen. (BMJ British Medical Journal, 2013; doi: 10.1136/bmj.f6954)

(BMJ-British Medical Journal, 28.11.2013 – NPO)

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