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Biologie

Bioinvasoren: Tod statt Sex

Eingeschleppte Gottesanbeterin trickst mittels Lockstoff heimische Männchen aus

Die neuseeländische Gottesanbeterin Orthodera novaezealandiae frisst zwar Fliegen, aber nicht ihre Männchen © Ken Vernon / Cc-by-sa 2.0

Verhängnisvolle Anziehung: Eingeschleppte Gottesanbeterinnen in Neuseeland verströmen einen unwiderstehlichen Duft. Dieser lockt auch Männchen der heimischen Art an, die dafür ihre Partnerinnen links liegen lassen. Doch diese Affäre endet fatal: Statt Sex bekommen die Männchen den Tod, sie werden gefressen. Durch diese Strategie droht die einschleppte Mantis-Art, die heimischen Gottesanbeterinnen komplett zu verdrängen, wie Forscher im Fachmagazin „Biology Letters berichten.

Lange Zeit waren die Fangschrecken der Art Orthodera novaezealandiae in Neuseeland quasi konkurrenzlos glücklich. Selbst die Männchen dieser Art mussten nicht befürchten, bei der Paarung von ihrer Partnerin vertilgt zu werden, wie es bei anderen Gottesanbeterinnen üblich ist. Denn die rund vier Zentimeter großen, grün gefärbten Gottesanbeterinnen sind zwar effektive Insektenjäger, bleiben untereinander aber relativ friedlich.

Doch seit 1978 ist damit Schluss: Seit dieser Zeit breitet sich die aus Südafrika eingeschleppte Gottesanbeterin Miomantis caffra immer mehr auf den neuseeländischen Inseln aus. In vielen Gegenden hat diese invasive Arte sogar bereits die einheimische verdrängt. „Die Mechanismen hinter diesem Verdrängungsprozess waren aber bisher unbekannt“, erklären Murray Fea und seine Kollegen von der University of Auckland. Sie sind daher nun der Sache auf den Grund gegangen.

Riechtest für heimische Männchen

Die Vermutung der Forscher: Hier ist Sex im Spiel. Schon länger ist bekannt, dass die Weibchen vieler Gottesanbeterinnen-Arten Lockstoffe nutzen, um ihre Partner anzuziehen. Dieser Duft sollte zwar eigentlich nur auf Männchen der gleichen Art wirken, aber es gibt auch Ausnahmen. Um herauszufinden, ob das vielleicht auch bei den beiden Arten in Neuseeland der Fall ist, ließen die Wissenschaftler Männchen der heimischen Art Orthodera novaezealandiae zum Riechtest antreten:

Erfolgreiche Invasorin: Miomantis caffra bei der Eiablage © Bryce McQuillan / CC-by-sa 2.0

Sie setzten jeweils ein Männchen in das Ende eines Plexiglasrohrs, das sich in zwei Enden gabelte. An einem dieser Enden saß ein Weibchen der zugewanderten Art und verströmte ihren Duft, das zweite Ende blieb im ersten Durchgang leer. In einem zweiten Durchgang durfte dort ein einheimisches Weibchen gegen ihre Konkurrentin anduften.

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Unwiderstehlicher Lockstoff

Das Ergebnis war eindeutig: Die Orthodera-Männchen folgten nicht nur prompt dem Duft der artfremden Frau – sie zogen ihn sogar dem Lockstoff ihrer Artgenossinnen vor. Allein dieser Effekt könnte schon ausreichen, um die Fitness der einheimischen Art deutlich einzuschränken, wie Fea und seine Kollegen erklären. Denn durch die artfremden Gerüche abgelenkt, finden sich die Partner nicht mehr, paaren sich nicht und können sich folglich auch nicht vermehren. Nicht umsonst werden ablenkende Lockstoffe daher auch in der biologischen Schädlingsbekämpfung häufig eingesetzt.

Aber es kommt noch perfider: Die Weibchen der eingeschleppten Art begnügen sich nicht damit, ihren heimischen Konkurrentinnen die Männchen auszuspannen – sie töten sie auch noch. Im Gegensatz zu den untereinander eher friedlichen Orthodera-Fangschrecken sind die Gottesanbeterinnen der Art Miomantis caffra klassische Sexual-Kannibalen.

Tod statt Sex

„Bei den Weibchen dieser Art machen die angelockten Männchen sogar einen wichtigen Teil ihrer Nahrung aus“, erklären Fea und seine Kollegen. Und wenn es ums Fressen geht, machen die Miomantis-Weibchen offenbar auch bei artfremden Partnern keine Ausnahme, wie die Experimente zeigten: Als die Forscher Orthodera-Männchen zu Miomantis-Weibchen setzten, endete dies in knapp 70 Prozent der Fälle mit dem Tod des Männchens.

Sie geht immer häufiger leer aus: Weibchen der heimischen Art Orthodera novaezealandiae © Bryce McQuillan / CC-by-sa 2.0

Der Erfolg der neu eingeschleppten Gottesanbeterinnen beruht damit nach Ansicht der Forscher gleich auf mehreren Faktoren: Die fatale Anziehung des fremden Lockstoffs macht den einheimischen Weibchen ihre Paarungspartner abspenstig. Diese werden dann prompt von den fremden Weibchen gefressen, das reduziert die Populationsgröße der einheimischen Art und sorgt zudem noch für Männermangel.

Und zu allem Überfluss verleiht das Zusatzfutter den fremden Weibchen mehr Energie für Ausbreitung und Vermehrung. „Diese Form der artübergreifenden Anziehung hat damit für sexualkannibalistische Arten wie Fangschrecken oder Spinnen besonders schwerwiegende Folgen“, konstatieren die Wissenschaftler. (Biology Letters, 2013; doi: 10.1098/rsbl.2013.0746)

(Royal Society Biology Letters, 27.11.2013 – NPO)

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