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Biologie

Primaten: Zerrüttung als Beziehungsmodell

Wieselmakis in Madagaskar gehen auch als Paar getrennte Wege

Weißfuß-Wieselmakis (Lepilemur leucopus) halten nichts vom Kuscheln © Iris Dröscher / Deutsches Primatenzentrum

Allein zu zweit: Wenn beide Partner nur noch nebeneinander her leben, gilt die Beziehung meist als zerrüttet. Bei einer Lemurenart in Madagaskar allerdings ist dies die Regel: Weißfuß-Wieselmakis leben zwar als Paare zusammen in einem gemeinsamen Territorium, gehen sich dabei aber aktiv aus dem Weg. Kuscheln oder Fellkraulen fällt komplett aus. Diese für Primaten äußerst ungewöhnliche Beziehungsform verblüffte selbst die Forscher. Warum sich die Tiere so verhalten und welche Vorteile es hat, ist bisher noch unklar.

Normalerweise spielt gegenseitiger Kontakt bei Primaten eine wichtige Rolle: Gegenseitiges Kraulen, Kuscheln oder Fellpflege sind bei vielen Arten fester Bestandteil ihres Sozialverhaltens. Vor allem Paare festigen damit ihre gegenseitige Bindung. „Die gegenseitige Fellpflege ist bei vielen Primaten eine wichtige soziale Interaktion und stärkt die Bindungen zwischen den einzelnen Individuen“, erklärt Iris Dröscher vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Peter Kappeler hat sie festgestellt, dass es dabei offenbar durchaus Ausnahmen gibt.

Sex ja, Kuscheln nein

Bei ihrer einjährigen Feldstudie in Madagaskar hatten die Forscher eine Population von Weißfuß-Wieselmakis (Lepilemur leucopus) beobachtet und die Bewegungen der Einzeltiere über Halsbänder mit Hilfe von Sendern verfolgt. Bisher war die soziale Organisation dieser nachtaktiven Lemurenart kaum erforscht, es gab dazu widersprüchlich Angaben. Die Auswertung der Daten ergab nun Erstaunliches: Obwohl die Weißfuß-Wieselmakis monogam leben und sich auch ein Revier teilen, geben sich die beiden Partner kaum miteinander ab.

„Diese Art zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Paarpartner aktiv aus dem Weg gehen“, berichtet Erstautorin Dröscher. Die soziale Interaktion zwischen Männchen und Weibchen beschränkt sich im Wesentlichen auf die einmal im Jahr stattfindende Paarung. Gemeinsames Kuscheln oder gegenseitige Fellpflege aber, wie bei vielen anderen Primaten üblich, beobachteten die Forscher in mehr als 1.500 Beobachtungsstunden nicht ein Mal.

Die Wieselmaki-Partner teilen das Revier, kümmern sich aber sonst nicht umeinander © Iris Dröscher / Deutsches Primatenzentrum

Nur ein Minimum an sozialer Komplexität

„Auch zum Schlafen suchen die Partner unterschiedliche Bäume auf und sind niemals zusammen“, erklärt Dröscher. Wenn die Weißfuß-Wieselmaki-Paare überhaupt zusammen auftraten, dann verhielten sie sich dabei meist neutral und saßen einfach in geringem Abstand nebeneinander. Nur bei der Verteidigung des Reviers arbeiteten beide Partner immerhin zusammen. Das sei das erste Mal, dass man ein solches Beziehungsmodell bei einem Primaten beobachtet habe, so die Forscher.

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„Weißfuß-Wieselmakis zeichnen sich unter den Primaten durch ein Minimum an sozialer Komplexität aus, da sie nur selten und nur mit wenigen Artgenossen interagieren“, sagt Kappeler. Das ist insofern bemerkenswert, da soziale Komplexität als wesentliche Triebkraft für die Entwicklung von Intelligenz bei Primaten gilt. Warum Wieselmakis sich überhaupt als Paare ein Territorium teilen, ist bislang noch unklar. Möglicherweise wollen die Männchen so verhindern, dass die Weibchen fremdgehen, mutmaßen die Forscher. Die Paarbindung könnte daneben auch dem Schutz des eigenen Nachwuchses dienen. (International Journal of Primatology, 2013; doi: 10.1007/s10764-013-9735-3 )

(Deutsches Primatenzentrum, 19.11.2013 – NPO)

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