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Geowissen

Nordatlantik war einst doppelt so salzig

Forscher entdecken im Tiefengestein konserviertes Urzeit-Meerwasser

Gasblasen in urzeitlichem Wasser, das aus dem Bohrloch strömt © Herbert Pierce

Wasser als Zeuge der Vergangenheit: In einem Bohrloch in den USA haben Forscher 100 bis 145 Millionen Jahre altes Wasser entdeckt. Analysen ergaben, dass dieses vom Ur-Nordatlantik stammende Meerwasser doppelt so salzig war wie der Ozean heute. Denn er begann damals gerade erst, sich von einem salzigen Binnenmeer in den heutigen Ozean zu verwandeln, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ erklären.

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Der Nordatlantik ist heute ein mehrere tausend Kilometer breites Meer zwischen Nordamerika und der Alten Welt. Doch das war nicht immer so. Noch vor rund 150 Millionen Jahren grenzte der amerikanische Kontinent unmittelbar an Europa und Afrika an. Der Nordatlantik war damals noch ein Binnenmeer, eingeklemmt zwischen den Urkontinenten Laurasia im Norden und Gondwana im Süden.

„Die Kreidezeit war für den Nordatlantik eine Zeit des Übergangs vom geschlossenen Riftbecken zu einem offenen Ozean“, erklären Ward Sanford vom US Geological Survey in Reston und seine Kollegen. Zu Beginn dieses Erdzeitalters, vor rund 145 Millionen Jahren, begann Gondwana auseinanderzubrechen, Südamerika spaltete sich langsam von Afrika ab und wanderte gen Westen. Dabei brachen auch Meeresstraßen in der Landverbindung auf, die den Ur-Nordatlantik nach Westen hin vom großen Urozean abriegelten.

Bohrturm der USGS-Bohrung in der Chesapeake Bay © David Powars

Salziges Wasser in altem Einschlagskrater

Einen Einblick in den Zustand des Meerwassers in dieser Übergangszeit haben Sanford und seine Kollegen nun auf ungewöhnliche Weise erhalten. Sie analysierten Wasserproben aus einem 1.766 Meter tiefen Bohrloch, das vor einigen Jahren an der Küste der Delmarva-Halbinsel in der Chesapeake Bay abgesenkt worden war. Diese Region liegt in einem heute kaum mehr sichtbaren, 85 Kilometer breiten Krater, den vor rund 35,5 Millionen Jahren ein Meteoriteneinschlag hinterließ.

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Schon früher hatten Messungen ergeben, dass Wasser aus Bohrlöchern in diesem Krater salziger ist als das Wasser des umgebenden Meeres. Aber warum? Einige Geologen vermuteten, dass die gewaltige Hitze beim Einschlag des Meteoriten so viel Wasser verdampfen ließ, dass der in Gesteinstaschen eingeschlossene Rest entsprechend konzentriert wurde. Theoretisch wäre aber auch möglich, dass dieses Gesteinswasser die tatsächlichen Bedingungen im Ur-Nordatlantik wiederspiegelt.

70 Promille in der Tiefe

Um herauszufinden, welche Theorie stimmte, entnahmen Sanford und seine Kollegen aus der Bohrung nahe des Ortes Eyreville über die gesamte Tiefe Gesteinsproben – alle 10 bis 20 Meter einen zehn Zentimeter langen Bohrkernabschnitt. Sie extrahierten das in den Poren des Gesteins konservierte Wasser mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeits-Zentrifuge und analysierten dann dessen Zusammensetzung.

Dabei zeigte sich: Der Salzgehalt des Gesteinswassers im Bohrkern wurde mit zunehmender Tiefe höher. 900 Meter unter der Oberfläche lag die Konzentration von Chlorid-Ionen bereits bei 38 Gramm pro Liter. „Dies entspricht einem Salzgehalt von 70 Promille und ist damit doppelt so hoch wie im heutigen Nordatlantik“, berichten die Forscher.

Der Vorläufer des Nordatlantiks vor 150 Millionen Jahren. Noch ist das Meer eingeklemt zwischen den zerbrechenden Resten von Laurasia im Norden und Gondwana im süden. © Ron Blakey, NAU Geology / CC-by-sa 3.0

Relikt des Kreidezeit-Ozeans

Die Frage war nun, woher dieses Wasser stammte. War es erst beim Impakt entstanden oder handelte es sich um Meerwasser, das aus dem damaligen Ur-Nordatlantik ins Gestein gesickert war? Um das zu klären, führten Sanford und seine Kollegen verschiedene Isotopen-Analysen des Gesteins und Gesteinswassers durch. Aus diesen ergab sich, dass das salzige Wasser bereits 100 bis 145 Millionen Jahre alt ist – und damit deutlich vor dem Meteoriteneinschlag im Gestein eingeschlossen wurde.

„Simulationen bestätigen zudem, dass der größte Teil dieses Porenwassers von der frühen Kreidezeit an ungestört im Gestein überdauerte“, so die Forscher. Der Impakt vor 35 Millionen Jahren schleuderte zwar große Mengen des Sedimentgesteins durch die Gegend. Das Porenwasser blieb dabei aber vermutlich auch während der Kraterbildung relativ unberührt. „Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass das Wasser in den Bohrlöchern der Chesapeake Bay ein Relikt des Meerwassers der frühen Kreidezeit sein muss“, konstatieren die Forscher. Damit liefere dieses Wasser einen Einblick in die Zeit, als der Ur-Nordatlantik gerade begann, sich zu öffnen.

Urmeer-Reste könnte es auch anderswo geben

Der Salzgehalt von rund sieben Promille zeigt, dass die zunächst kleinen Durchbrüche in der Landbarriere damals bereits dazu beigetragen hatten, das Wasser dieses ehemals extrem salzigen Binnenmeeres zu verdünnen. Erst im Laufe der Kreidezeit sank die Salinität des Nordatlantiks allmählich weiter ab. Vor rund 100 Millionen Jahren erreichte das Wasser schließlich ähnliche Werte wie noch heute: durchschnittlich rund 35 Promille.

Nach Ansicht der Forscher macht der Fund des urzeitlichen Wassers im Bohrloch Hoffnung auf weitere Einblicke in das Kreidezeit-Meer: „Wir vermuten, dass Relikte des frühen Kreidezeit-Nordatlantiks wahrscheinlich noch an vielen anderen Stellen entlang der Atlantikküste existieren“, erklären Sanford und seine Kollegen. Weitere Bohrungen könnten sich daher lohnen. (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature12714)

(Nature, 14.11.2013 – NPO)

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