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Astronomie

Rätsel um Asteroid mit sechs Schweifen

Astronomen enthüllen wahre Natur eines untypischen Himmelsobjekts

Hubble-Aufnahmen des Asteroiden P/2013 P5 vom 10. und 23. September 2013. Die Veränderungen der Schweife ist deutlich zu erkennen. © NASA/ESA, and D. Jewitt (UCLA)

Einige Objekte bringen die Ordnung im Sonnensystem gehörig durcheinander – dazu gehört auch der Asteroid P/2013 P5. Ausgestattet mit mehreren deutlich erkennbaren Schweifen mutet er zwar wie ein Komet an, zieht aber innerhalb des Asteroidengürtels seine Kreise um die Sonne – und lässt sich somit keiner der beiden Kategorien zweifelsfrei zuordnen. Ein internationales Forscherteam hat nun den rätselhaften Körper näher untersucht. Ihre Diagnose: P/2013 P5 ist ein Asteroid, der sich unter dem Strahlungsdruck der Sonne so schnell dreht, dass er Material ins All verliert.

Eigentlich ist der Unterschied zwischen Asteroiden und Kometen klar: Asteroiden sind beständige Himmelskörper, Kometen hingegen sind „Staub- und Gasspucker“. Asteroiden gleichen stabilen Felsbrocken oder Schutthaufen, sie haben ihre leicht flüchtigen Bestandteile wie etwa Wasser bereits vor Milliarden von Jahren verloren, und abgesehen von dem einen oder anderen Einschlagskrater ändert sich ihr Aussehen kaum. Kometen hingegen bezeichnet man oft als „schmutzige Schneebälle“. Von ihrer Oberfläche verdampft Material, meistens Eis, durch den Einfluss der Sonne, reißt Staubteilchen mit sich und bildet so die bekannten Kometenschweife.

„Aktive Asteroiden“ bringen Dinge ins Wanken

Bereits im Jahr 1996 geriet diese Sicht der Dinge erstmals ins Wanken: Auf Bildern des Asteroiden 1979 OW7, der später in Komet 133P/Elst-Pizarro umgetauft werden musste, zeigte sich ein deutlicher Schweif. Ein Komet im Asteroidengürtel? Oder ein Asteroid, der Gas und Staub speit? Die genaue Zuordnung dieser astronomischen Zwitter, von denen bisher kaum mehr als zehn bekannt sind, fällt bis heute schwer. Auch sprachlich wird die Verwirrung deutlich: Forscher sprechen von aktiven Asteroiden oder Hauptgürtel-Kometen.

„Vieles spricht dafür, dass die sogenannten aktiven Asteroiden keine einheitliche Gruppe bilden“, sagt Jessica Agarwal vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Nach Art eines Kometen verdampft von der Oberfläche einiger Vertreter vermutlich Eis. Dieses stammt wahrscheinlich aus dem tiefen Inneren der Körper und wurde möglicherweise durch heftige Einschläge freigelegt. Bei anderen aktiven Asteroiden haben Zusammenstöße Fontänen aus Staub erzeugt, die noch monatelang als Schweif sichtbar waren. „Bei den meisten dieser Körper ist jedoch der Ursprung des Schweifes völlig unklar“, so Agarwal.

Erst im August dieses Jahres hatten kolumbianische Astronomen diese rätselhaften Ausnahme-Asteroiden ebenfalls genauer analysiert. Sie kamen zu dem Schluss, dass sie möglicherweise nur die Spitze eines Eisbergs sein könnten: Ihrer Ansicht nach könnte ein großer Teil der Objekte im Asteroidengürtel aus ehemaligen, ruhenden oder toten Kometen bestehen.

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Auch der Brocken mit dem Namen P/2013 P5 war zunächst ein Rätsel. In den Aufnahmen vom August dieses Jahres, in denen er entdeckt wurde, schmückt er sich bereits mit einem Schweif. Der genauere Blick, den die Forscher nun mit dem Weltraumteleskop Hubble auf den Sonderling richteten, offenbarte weitere: Insgesamt sechs Schweife umgeben den Körper wie die Speichen eines Wagenrads. Entstehen diese Schweife aber wie bei einem Kometen, oder auf andere Art?

Eis kann man ausschließen

„Allein die Anzahl spricht dagegen, dass die Schweife auf Kollisionen oder Einschläge zurückzuführen sind“, sagt Agarwal. Sechs Einschläge innerhalb kurzer Zeit seien doch eher unwahrscheinlich. Auch verdampfendes Eis könne man so gut wie ausschließen. Da P/2013 P5 sich am inneren Rand des Asteroidengürtels bewegt – also für einen Asteroiden in großer Sonnennähe –, dürfte kein Eis mehr existieren.

Entscheidende Hinweise lieferte der Vergleich von Hubble-Aufnahmen, die zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten im September dieses Jahres gelangen. „Zwischen den Beobachtungen lagen 13 Tage. In dieser Zeit hatte sich unser Forschungsobjekt stark verändert“, so Agarwal. Während ein Schweif fast unverändert geblieben war, hatte ein zweiter deutlich an Länge und Leuchtkraft zugenommen. Alle anderen waren verblasst.

Rotierende Dreckschleuder

Die Forscher tippten deshalb darauf, dass der Körper so schnell rotiert, dass er Masse verliert. Angetrieben wird er dabei vom Druck des Sonnenlichts. Dieses trifft in unterschiedlichen Winkeln auf die zerklüftete Oberfläche. Unterm Strich wird dadurch die Rotation des Asteroiden mehr und mehr beschleunigt, wie bei einem Rad, das man nur an einer Seite anschiebt. Irgendwann wird dadurch die Fliehkraft am Äquator stärker als die schwache Schwerkraft des mit einem Durchmesser von 240 Metern recht kleinen Körpers: Material wird von der Oberfläche fortgeschleudert. In dem veröffentlichten Artikel klassifizieren die Astronomen diese kosmische Dreckschleuder als „Hauptgürtel-Kometen“.

Um ihre Annahmen zu bestätigen, versuchte das Team, in Computersimulationen die Veränderungen zwischen den beiden Hubble-Aufnahmen zu rekonstruieren. Dafür berechneten die Wissenschaftler die Bahnen vieler hypothetischer Staubteilchen verschiedener Größe und verschiedenen Alters und verglichen deren Positionen mit denen der beobachteten Schweife. Einzige Annahme war, dass allein Strahlungsdruck und Gravitation der Sonne die Bewegung der Teilchen beeinflussen.

Computersimulation stimmt mit Beobachtungen überein

„Unsere Rechnung und die tatsächlichen Beobachtungen stimmen sehr gut überein“, bilanziert Agarwal, die die Rechnungen durchführte. „Besonders ermutigend ist, dass wir die zeitliche Entwicklung zwischen den beiden Beobachtungstagen gut wiedergeben können.“

Offenbar entstand jeder der sechs Schweife zu einem anderen Zeitpunkt, der jüngste nur wenige Tage vor den Hubble-Aufnahmen. Er konnte in den folgenden Tagen deshalb an Helligkeit zulegen, während alle anderen – je nach Größe ihrer Staubteilchen – nach und nach schwanden.

(Astrophysical Journal Letters, 2013; doi: 10.1088/2041-8205/778/1/L21)

(Max-Planck Gesellschaft, 08.11.2013 – AKR)

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