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Neurobiologie

Wenn’s Dich juckt…

Entschlüsselte Signalwege chronischen Juckens eröffnen neue Therapiemöglichkeiten

In genmanipulierten Mäusen mit chronischem Juckreiz fanden Wissenschaftler erhöhte Aktivität in den entsprechenden Nervenzellen, hier in rot dargestellt. © Washington University Center for the Study of Itch

Ein Mückenstich hört schnell wieder auf zu Jucken, ein Ekzem oder ein anderer chronischer Juckreiz aber nicht. Der Grund: Beim chronischen Jucken feuern auch Schmerz-Nerven mit. Ein Experiment mit Mäusen zeigt nun, warum das so ist: Ein bestimmtes Protein aktiviert diese Zusatzleitungen. Diese Erkenntnis könnte dabei helfen, bessere Heilmittel für chronisches Jucken zu entwickeln.

Jeder hat sicherlich schon mit einem unerträglich juckenden Mückenstich zu tun gehabt. Dieser weckt zwar den heftigen Drang, sich zu kratzen, ist aber zum Glück normalerweise nach kurzer Zeit wieder verschwunden. Durch Ursachen wie Ekzeme oder Schuppenflechte, aber auch Nierenversagen oder Lebererkrankungen, kann ein chronischer Juckreiz ausgelöst werden, der Wochen oder gar Jahre anhält.

Schmerz-Nerven werden zu Juck-Nerven

„Ein normaler Juckreiz hat einen festen Weg, auf dem das Jucksignal übertragen wird“, sagt Zhou-Feng Chen vom Forschungszentrum Center for the Study of Itch an der Washington University, St. Louis. „Bei chronischem Jucken dagegen können zahlreiche Nervenzellen zu Juck-Nerven werden, auch solche, die normalerweise Schmerz übertragen.“ Die Beteiligung der Schmerz-Nerven trägt dazu bei, dass chronischer Juckreiz so unerträglich ist. Diese Verflechtung der Signalwege von Schmerz und chronischem Jucken haben Chen und sein Team nun teilweise enträtselt, wie sie in der Online-Ausgabe des „Journal of Clinical Investigation“ berichten.

Chen und sein Team widmen sich dabei vor allem den molekularbiologischen Hintergründen des Juckreizes. Frühere Studien zeigten bereits, dass ein Protein namens BRAF an Schmerzreaktionen des Körpers beteiligt ist. Was für eine Rolle BRAF bei Juckreiz spielt, wussten die Wissenschaftler jedoch noch nicht. Um dies zu untersuchen, züchteten sie genmanipulierte Mäuse, in denen ein Überschuss an BRAF produziert wird. Aufgrund der bekannten Bedeutung von BRAF für die Schmerzübertragung nahmen die Forscher an, diese Mäuse könnten schmerzempfindlicher sein.

Signale für Schmerz und Jucken unterscheiden sich deutlich

Überraschenderweise traf diese Annahme nicht zu. Stattdessen kratzten sich diese Mäuse häufig ohne ersichtlichen Grund und waren deutlich empfindlicher gegenüber juckenden Substanzen. Offenbar löste der BRAF-Überschuss bei diesen Mäusen Dauerfeuer in den Juck-Nerven aus. BRAF ist demnach essenziell am Signalweg des chronischen Juckreizes beteiligt.

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Die genmanipulierten Mäuse dienten in weiteren Studien als Modellorganismus für chronischen Juckreiz. Chen und seine Kollegen verglichen die Genaktivitäten dieser Mäuse mit solchen, die aufgrund von trockener Haut oder Kontaktallergenen an chronischem Juckreiz litten. Dies sind zwei der häufigsten Ursachen, die auch beim Menschen den Drang zu unablässigem Kratzen auslösen. Es zeigte sich, dass in den Nerven der BRAF-manipulierten Mäuse zahlreiche Gene aktiv waren, die in den anderen Mäusen bereits als Juck-Gene erkannt worden waren. BRAF ist also direkt verantwortlich für die Aktivität solcher Gene.

Für die Behandlung chronischen Juckens sind bislang nur wenig spezifische Methoden bekannt. Einige Mittel gegen chronische Schmerzen können auch bei Juckreiz eingesetzt werden. Wurde die Produktion von BRAF in den Modellmäusen gehemmt, hörten sie auf, sich zu kratzen. Chen sieht daher in den gewonnenen Erkenntnissen Ansätze für neue Therapien: „Von BRAF gehen viele Signalwege aus, und sie alle könnten mögliche Ziele für Anti-Juck-Therapien sein.“ (Journal of Clinical Research, doi:10.1172/JCI70528)

(Washington University St. Louis, 17.10.2013 – AKR)

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