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Physik

Physik-Nobelpreis für Englert und Higgs

Den Preis erhalten zwei der Entdecker des Higgs-Mechanismus, der allem Masse verleiht

Zerfallsspuren eines Higgs-Bosons im Detektor CMS © CERN

Nach dem Nachweis des Higgs-Bosons im Juli letzten Jahres haben es viele schon erwartet: Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an Francois Englert und Peter Higgs, zwei theoretische Physiker, die unabhängig voneinander den Mechanismus beschrieben haben, der allen Teilchen seine Masse verleiht – und dem auch das Higgs-Boson seine Entstehung verdankt. Englerts Kollege Robert Brout starb 2011, sonst wäre er sicher der Dritte im Bunde geworden.

Ohne Masse wäre das Universum ein völlig anderer Ort: Es gäbe keine Atome und keine normale Materie. Denn die Masse erst sorgt dafür, dass die Grundbausteine der Materie zusammenhalten und miteinander wechselwirken. Lange Zeit aber konnte das Standardmodell der Teilchenphysik – und damit die Basis unseres physikalischen Weltbilds – nicht erklären, woher die Elementarteilchen diese wichtige Eigenschaft haben.

Und es gab noch etwas: eine scheinbar unmögliche Beobachtung in Experimenten der Teilchenphysik. Denn es zeigte sich, dass die Krafteilchen, die die schwache Kernkraft vermitteln, die W- und Z-Bosonen, eine Masse besitzen. Doch genau das durfte nach gängiger Theorie eigentlich nicht sein. Sie müssten stattdessen masselos sein, wie andere Kraftteilchen auch, beispielsweise wie die Träger der elektromagnetischen Kraft, die Photonen. Die große Frage war daher: Woher bekommen diese Teilchen ihre Masse?

Ein Feld mit ganz spezieller Wechselwirkung

Genau diese Frage war der Ausgangspunkt für Peter Higgs und – unabhängig von ihm- auch seine belgischen Kollegen Robert Brout und Francois Englert. 1964 dann kamen sie fast zeitgleich zum gleichen Schluss: Es musste eine bisher unbekannte Art von Feld geben, das den gesamten Raum erfüllt und mit dem diese Bosonen wechselwirken – und möglicherweise auch andere Teilchen. Und diese Wechselwirkung musste es sein, die den Bosonen Masse verlieh.

In einer bekannten Analogie vergleicht der britische Physiker David Miller dieses Feld mit einer Cocktail-Party. Betritt eine bedeutende Persönlichkeit, beispielsweise ein bekannter Politiker, den Raum, sammelt sich schnell eine Traube anderer Gäste um ihn. Der Politiker kann sich vor lauter Menschen kaum mehr vorwärtsbewegen – ähnlich einem Teilchen mit hoher Masse, das nur mit viel Energie beschleunigt werden kann.

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Francois Englert (links) und Peter Higgs am 4. Juli 2012 am CERN © CERN

Die beiden belgischen Forscher und Higgs erklärten diesen Mechanismus, der heute als Higgs-Mechanismus bekannt ist, dabei aber auf jeweils unterschiedliche Weise: „Unser Weg war ein quantenmechanischer Weg, den Higgs-Mechanismus zu formulieren, Professor Higgs tat dies auf klassischem Wege“, erklärte Englert im Juli 2012 bei einem Interview am CERN. „Ich denke, in gewisser Weise ergänzen sich diese beiden Arbeiten sehr gut.“ Denn beide zusammen zeigten auf, dass der Higgs-Mechanismus mit gängigen Theorien durchaus vereinbar ist.

Das fehlende Puzzlestück: ein Higgs-Boson

Doch damit war das Bild noch nicht vollständig. Denn gab es den Higgs-Mechanismus, dann musste es auch ein dazugehörendes Teilchen geben – das Higgs-Boson. Dieses entsteht demnach immer dann, wenn sich das Higgs-Feld an bestimmten Stellen verdichtet. In der Cocktail-Party-Analogie wäre das der Fall, wenn die Gäste Grüppchen bilden, weil sie beispielsweise gerade den neuesten Tratsch austauschen. Peter Higgs sagte in seiner Veröffentlichung im Jahr 1964 die Existenz dieses Teilchens bereits voraus.

„Faszinierend an dieser Vorhersage ist, dass die Preisträger allein aufgrund theoretischer Überlegungen in der Lage waren, nicht nur ein neues Teilchen vorherzusagen, sondern gleichzeitig auch ein neues Prinzip in die Formulierung von Naturgesetzen einzuführen“, kommentiert Peter Schleper, Vorsitzender des Komitees für Elementarteilchenphysik KET, der Vertretung aller deutschen Teilchenphysiker. Doch der Nachweis dieses Teilchens ließ auf sich warten – fast 50 Jahre lang.

Das Higgs-Boson ergänzt und komplettiert den Teilchenzoo des Standardmodells © Nobel Foundation

Anfang Juli 2012 dann war es endlich soweit: Im Beisein von Englert und Higgs verkündete CERN-Generaldirektor Rolf Heuer in Genf: „Wir haben eine Entdeckung – wir haben ein Teilchen gefunden, das konsistent mit dem Higgs-Boson ist.“ Gelungen war dies mit Hilfe der zwei großen Detektoren ATLAS und CMS am größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC). Beide Detektoren hatten unabhängig voneinander Indizien für ein bisher unbekanntes Teilchen entdeckt, dessen Energie und Masse dafür sprachen, dass es sich um das lange gesuchte Higgs-Boson handeln könnte. „Die Entdeckung eines Partikels, das konsistent mit Higgs-Boson ist, wird auch auf andere Rätsel unsere Universums ein neues Licht werfen“, sagte Heuer.

Wer keinen Preis bekam und warum

Eigentlich wäre auch der Nachweis des Higgs-Bosons einen Nobelpreis wert. Denn erst dadurch ist endgültig belegt, dass es ein Teilchen gibt, das das Standardmodell komplettiert und „rund“ macht. Das Problem aber ist: Diese gewaltige Leistung haben nicht Einzelne vollbracht, sondern Kollaborationen von jeweils mehreren tausend Physikern. Hier jemanden herauszugreifen ist unmöglich. Der Nobelpreis aber kann nur an maximal drei Personen gehen. Dieses Dilemma hat das Komitee nun gelöst, indem es nur den Theoretikern den Preis verliehen hat – aber die Leistung der CERN-Physiker ausführlich in der Preisbegründung beschreibt.

Leer aus gehen auch die beiden US-Physiker Carl Hagen und Gerald Guralnik und ihr britischer Kollege Thomas Kibble. Sie hatten nur kurz nach Englert, Brout und Higgs ebenfalls ein Paper zum Higgs-Mechanismus veröffentlicht, in dem sie sich auf die vorhergehenden Veröffentlichungen bezogen und weitere Details ergänzten.

Mehr zum Higgs-Nachweis und seiner Bedeutung in scinexx.

Video-Interview mit Francois Englert anlässlich der Entdeckung des Higgs-Bosons und mit Peter Higgs.

(CERN, npo, 08.10.2013 – NPO)

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