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Astronomie

Heiße Phase für Komet ISON beginnt

Weltweite Beobachtungskampagne zur Kometenpassage läuft an

Komet ISON am 29. September 2013. Das Bild zeigt die Hülle aus Staub, die den Kometenkern umgibt, und den Staubschweif. Der Kometenkern selbst ist nicht sichtbar, da er vom freigesetzten Staub überstrahlt wird. Da sich der Komet während der Aufnahmen weiterbewegt hat, erscheinen die Sterne im Hintergrund zum Teil als langgezogene, bläuliche Striche © Thüringer Landessternwarte Tautenburg/ Bringfried Stecklum

Für den Kometen ISON wird es in den nächsten Wochen heiß: Er nähert sich der Sonne an und wird dabei immer heller. Ende November dann wird er sie in nur 1,8 Millionen Kilometern passieren. Übersteht er dies, könnte er am Nachthimmel ein besonderes Schauspiel bieten. Doch für die Wissenschaftler beginnt die heiße Phase schon jetzt, ihre Beobachtungskampagnen laufen jetzt an. Die bei der Passage von ISON gesammelten Daten könnten dazu beitragen, viele ungeklärte Fragen zu beantworten: vom Ursprung des Lebens auf der Erde bis zur frühen Entwicklung unseres Sonnensystems.

In der jetzigen frühen Phase geht es den Forschern vor allem um den Schweif des Kometen, der sich jetzt bereits ausgebildet hat. Seine Entwicklung erlaubt Rückschlüsse auf physikalische Eigenschaften des Kerns sowie auf Gas- und Teilchenausbrüche an seiner Oberfläche. Zudem wollen die Forscher anhand der früh gewonnen Daten die Form, die der Staubschweif zu späteren Zeitpunkten annehmen wird, berechnen – und so einen Vorgeschmack bieten auf den Anblick, der uns Ende November und Anfang Dezember am Nachthimmel erwartet.

Höhepunkt des Ganzen ist dann der 28. November 2013, wenn ISON die Sonne in einem Abstand von kaum mehr als einem Sonnendurchmesser passiert. „In dieser Entfernung wird die Temperatur an der Oberfläche des Kometen bis zu 2000 Grad Celsius erreichen“, erklärt Kometenforscher Hermann Böhnhardt, der die Aktivitäten des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) rund um ISON leitet. Winzige Staubteilchen an der Kometenoberfläche könnten verglühen; Stoffe, die sonst tief im Innern gebunden sind, verdampfen.

Hoffnung auf verdampfende Kometenbausteine

Der Druck im Kometenkern könnte bei der Sonnenpassage sogar so stark steigen, dass der Körper zerbricht. Für Kometenforscher wäre dieses letzte Szenario bei weitem nicht die schlechteste Variante. Zwar hoffen viele Hobbyastronomen, dass der Komet die Sonne unbeschadet passiert und in den Tagen und Wochen danach einen spektakulären Schweif ausbildet. Doch falls der Kometenkern zerbricht, würden einzelne Bruchstücke den Blick auf das Innere des Körpers freigeben, das sonst verborgen bleibt.

In jedem Fall dürfte die große Hitze dem Kometen tiefgehende Informationen entlocken. So hoffen die Forscher etwa, dass auch Metalle aus seinem Innern verdampfen werden. „Metalle und weitere Stoffe wie etwa Silizium sind normalerweise in Form von Mineralien im Kometengestein gebunden und deshalb für Teleskope auf der Erde nicht zugänglich“, erklärt Böhnhardt. Da ISON bereits bei seiner Entdeckung erstaunlich hell strahlte, könnte er seine Geheimnisse bereitwillig preisgeben: Lichtstarke Objekte lassen sich deutlich leichter untersuchen als matte.

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Keck-Teleskope © W.M. Keck Observatory

Beobachtung mit Teleskopen weltweit

Die MPS-Forscher werden mit Hilfe von fünf Teleskopen versuchen diesen Vorzug zu nutzen: Sie arbeiten bei diesen Beobachtungen zusammen mit Kollegen am Wendelstein-Observatorium der Ludwig-Maximilians-Universität in München, an der Thüringer Landessternwarte Tautenburg, am Turkish National Telescope und zwei hawaiianischen Anlagen, dem Canada France Hawaii Telescope und dem W.M. Keck Observatory.

„Bei den Beobachtungen, die wir von Hawaii aus durchführen, stehen vor allem die organischen Bestandteile des Kometen im Vordergrund“, so Böhnhardt. Diese machen möglicherweise bis zu ein Drittel der mineralischen Kometenmasse aus – und bergen Informationen über die frühe Entwicklung des Sonnensystems. So wird etwa spekuliert, dass Kometeneinschläge mit diesen Molekülen die Grundbausteine des Lebens auf die Erde brachten. Zudem interessieren sich die Forscher dafür, wie das Mischungsverhältnis organischer Stoffe vom Entstehungsort eines Kometen abhängt. „Auf diese Weise könnten wir nachzeichnen, wie diese Stoffe in der Geburtsstunde des Sonnensystems verteilt waren“, so Böhnhardt.

Auch Weltraum-Teleskope nehmen ISON ins Visier

Die ungewöhnliche Sonnennähe von Komet ISON ruft auch die Sonnenforscher des MPS auf den Plan. Denn auch die im Weltraum stationierten Sonnenobservatorien Solar and Heliospheric Observatory (SoHO) und STEREO werden Ende November während der sonnennächsten Passage den Kometen ISON ins Visier nehmen. „Raumsonden, die sonst die Sonnenatmosphäre und ihre Umgebung beobachten, sind für diese Aufgabe hervorragend geeignet“, erklärt Werner Curdt vom MPS.

Der Komet wird tief in die Sonnenkorona eintauchen, mit ihr wechselwirken und dabei seine Fingerabdrücke hinterlassen. Es ist vorgesehen, diese Fingerabdrücke spektroskopisch zu untersuchen. Der SoHO-Spektrograph SUMER hat dafür Programme an Bord, die erst jetzt nach 18 Jahren erstmals zur Anwendung kommen. Das Sondenpaar STEREO und das Instrument LASCO an Bord von SoHO werden mit ihren Kameras das Schicksal des Kometen über viele Tage verfolgen.

(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 04.10.2013 – NPO)

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