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Ökologie

Ozean: Klimawandel begünstigt Mini-Mikroben

CO2-hungriges Mikroplankton könnte das marine Nahrungsnetz kurzschließen

Probennahme an den KOSMOS Mesokosmen im Kongsfjord, Spitzbergen. © Maike Nicolai/ GEOMAR

Entscheiden die kleinsten Meeresbewohner über die Zukunft des Ozeans? Ein fünfwöchiges Freiland-Experiment vor Spitzbergen deutet dies an. Es zeigte, dass das marine Pico- und Nanophytoplankton bei höherem CO2-Gehalt des Wassers das gesamte Nahrungsgefüge des Ozeans aus dem Gleichgewicht bringt. Gleichzeitig lassen auch zwei für das globale Klima wichtige Funktionen des Meeres nach, wie die Forscher im Fachmagazin „Biogeosciences“ berichten.

Für das Experiment im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts zur Ozeanversauerung EPOCA (European Project on Ocean Acidification) brachte das Greenpeace-Schiff ESPERANZA im Mai 2010 neun Mesokosmen nach Spitzbergen und setzte diese vor Ny-Ålesund aus. In den acht Meter hohen Schwimmkörpern der Mesokosmen hängen lange Kunststoffsäcke mit einem Fassungsvermögen von je 50 Kubikmetern. Wie riesige Reagenzgläser schließen sie eine Wassersäule mit den darin enthaltenen Kleinstlebewesen ein.

In sieben Säcken versetzten die Forscher das Wasser schrittweise mit Kohlendioxid, so dass es Säuregrade erreichte, die in 20, 40, 60, 80 und 100 Jahren erwartet werden. Zwei gaben als Kontrolle die Verhältnisse im Fjord wieder. Täglich wurden an den Mesokosmen rund 50 physikalische, chemische und biologische Parameter gemessen und Proben für die weitere Verarbeitung in den Heimatlaboren gesammelt.

Weniger Futter für die Großen

Das Ergebnis: Die Kleinsten der Kleinen scheinen zu den Gewinnern im Ozean der Zukunft zu gehören: Besonders kleine Meeresorganismen, das Pico- und Nanophytoplankton, wachsen unter erhöhten Kohlendioxid-Werten stärker und bilden mehr organischen Kohlenstoff. „Wenn das winzige Plankton derart zulegt, verbraucht es die Nährstoffe, die unter normalen Bedingungen auch größeren Planktonarten zur Verfügung stehen“, erklärt Ulf Riebesell vom GEOMAR, Leiter der KOSMOS Mesokosmen-Experimente.

„Wir konnten deutlich erkennen, dass der Boom an der Basis des Nahrungsgefüges zu Lasten der Diatomeen ging, Kieselalgen, die zum Mikro-Phytoplankton zählen. Unser Experiment war zu kurz, um zu überprüfen, ob auch Zooplankton darunter leidet. Dies liegt jedoch nahe.“ In einem von Pico- und Nanophytoplankton dominierten System wird zudem weniger Kohlenstoff in den tiefen Ozean transportiert. „Das kann dazu führen, dass die Meere zukünftig weniger CO2 aufnehmen“, folgert der Kieler Biogeochemiker.

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Weniger kühlende Wolken

Und noch eine klima-relevante Funktion wird geschwächt: Die Produktion von Dimethylsulfid (DMS). Dieses Gas begünstigt die Wolkenbildung über den Ozeanen. So gelangt weniger Sonnenlicht bis zur Erdoberfläche, was dem Treibhauseffekt entgegenwirkt. „Diese für den Menschen wichtigen Dienste des Ozeans können durch die Versauerung also deutlich beeinträchtigt werden.“

Trends aus dieser ersten Studie mit den Kieler KOSMOS Mesokosmen werden auch von den folgenden Einsätzen in Norwegen (2011), Finnland (2012) und Schweden (2013) bestätigt: „Immer wieder profitieren die Plankton-Zwerge von dem Plus an CO2, sie produzieren mehr Biomasse und mehr organischen Kohlenstoff, die DMS-Produktion und der Kohlenstoff-Export lassen nach“, fasst Riebesell zusammen. „Unser diesjähriges Langzeit-Experiment in Schweden gibt uns aber erstmals die Chance, zu beobachten, was diese Entwicklung für die höheren trophischen Ebenen bedeutet und ob sich das System an das saurere Wasser anpassen kann. Die Ergebnisse erwarten wir mit Spannung.“

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 16.09.2013 – NPO)

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