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Physik

Bohr hatte recht, Einstein lag falsch

Experiment belegt, dass Quantenteilchen an zwei Orten gleichzeitig sein können

Das Doppelspaltexperiment an einem Wasserstoff-Deuterium-Molekül zeigt: Wenn man Atome bei der Streuung am Doppelspalt nicht beobachtet, gehen sie durch beide „Schlitze“ gleichzeitig. Das lässt sich daraus schließen, dass das Molekül gleichzeitig in eine Rechts- und eine Linksrotation versetzt wird. Die unterschiedlichen Massen der „Schlitze“ führen zu einer Krümmung der Interferenzstreifen. © AK Dörner, Goethe-Universität

Quantenphysikalische Teilchen können an mehreren Orten gleichzeitig sein und hinterlassen dabei sogar Spuren. Das haben Physiker nun in einem verblüffenden Experiment nachgewiesen, das bereits Albert Einstein vor mehr als 80 Jahren anregte. Damals konnte sein wichtigster Kontrahent, der Physiker Niels Bohr, ihm lediglich Argumente entgegensetzten. Jetzt geben die neuen Experimente dem Dänen Recht, wie die Forscher im Fachmagazin „Physical Review Letters“ berichten.

Einstein hat Zeit seines Lebens die quantenphysikalische Aussage bekämpft, dass Teilchen – solange man sie nicht beobachtet – an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Sein wichtigstes Gegenargument war: Die geisterhaften Teilchen müssten durch Zusammenstöße mit anderen Teilchen entlang ihrer Bahn eine sichtbare Spur hinterlassen. Eben diese Spur haben Physiker um Lothar Schmidt von der Goethe-Universität Frankfurt am Main nun gemessen. „Unseres Experiment ist ein später Triumph für Niels Bohr und damit eine weitere Bestätigung der Grundlagen unseres heutigen physikalischen Weltbildes“, so Schmidt.

Doppelspalt als Testexperiment

Das klassische Experiment, das auch heutigen Physikstudenten noch Kopfzerbrechen bereitet, ist die Streuung quantenphysikalischer Teilchen am Doppelspalt. Solange es unbeobachtet ist, scheint jedes einzelne Teilchen durch beide Schlitze des Spalts zu gehen. Es bildet – ähnlich wie Wasserwellen – ein Interferenzmuster hinter dem Spalt. Dieses verschwindet aber, sobald man eine Information über den Weg des Teilchens zu gewinnen versucht, etwa durch die Wechselwirkung mit einem Lichtteilchen.

Einstein argumentierte, man müsse gar nicht nachsehen, wo das Teilchen ist, denn es verrate seinen Ort indirekt, indem es beim Passieren des Spalts einen Impuls überträgt: Ginge es durch den linken Schlitz, erfahre das Beugungsgitter einen minimalen Stoß nach links, und entsprechend nach rechts, wenn es durch den rechten Spalt geht. Bohr konterte, auch das Beugungsgitter verhalte sich wie ein quantenmechanisches System, das heißt, es müsse gleichzeitige in beide Richtungen abgelenkt werden.

Rotationsimpuls in zwei Richtungen gleichzeitig

Dass diese verrückt klingende Vermutung tatsächlich richtig ist, haben Dörner und seine Mitarbeiter jetzt durch die Streuung von Helium-Atomen an einem Doppelspalt aus Wasserstoff-Deuterium-Molekülen nachgewiesen. Wie die Forscher berichten, bewirkt bei ihrem Experiment der Impulsübertrag bei der Streuung eine Rotation des Moleküls. In welche Richtung es rotiert, können die Physiker indirekt schließen: Sie betrachten Prozesse, bei denen der molekulare Doppelspalt durch den Stoß in einen angeregten Zustand übergeht und dann auseinander bricht.

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Aus den Bruchstücken können sie den Drehsinn rekonstruieren. „Da wir bei dieser Versuchsanordnung nicht beobachten, durch welches Loch das Teilchen gegangen ist, passiert genau das, was Bohr vorhergesagt hat: Der Doppelspalt rotiert gleichzeitig mit und gegen den Uhrzeigersinn“, erklärt Schmidt. Dieses Ergebnis stimmt mit den Vorhersagen von Kollegen aus Paris, die hierzu ein quantenmechanisches Modell entwickelt haben, überein – mit den Modellen der klassischen Physik lassen sich die gemessenen Ergebnisse nämlich nicht beschreiben. (Physical Review Letters, 2013; doi: 10.1103/PhysRevLett.111.103201)

(Goethe-Universität Frankfurt am Main, 11.09.2013 – NPO)

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