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Technik

Biegsames Display als Bildschirm und Eingabehilfe zugleich

Flexpad: Zoomen und Navigieren durch Verbiegen oder Bewegen des Displays

Navigationshilfe durch den menschlichen Körper: Mit dem Flexpad lassen sich unter anderem Aufnahmen aus der Computertomografie besser begutachten, weil mit Bewegungen eines Papiers oder eines anderen flexiblen Materials verschiedene Bilder auf das Material, das auch als Bildschirm dient, gerufen werden. © Jürgen Steimle

Mit ihm wird selbst ein einfaches Blatt Papier zu einem beweglichen, flexiblen Display: Deutsche Forscher haben eine Technik entwickelt, bei der ein flexibles, dünnes Material als Bildschirm und Eingabegerät zugleich fungiert. Biegt man dieses „Flexpad“, kann man damit beispielsweise in eine Darstellung reinzoomen oder sich darin bewegen. Schon jetzt könnten Patienten damit beispielsweise die Ergebnisse einer Computertomografie besser begutachten. Langfristig wollen die Informatiker damit neue Anwendungen für ultradünne, verformbare mobile Endgeräte eröffnen.

Rötlich schimmern menschliche Organe auf einem Papier. Dieses zeigt den Unterleib eines Menschen im Längsschnitt. Wirbelsäule und Beckenknochen bilden als gelbe Inseln den Kontrast dazu. Als das Papier an seinen Enden nach unten gebogen wird, scheinen die Knochen hervorzutreten, während die Weichteile zurückweichen. Denn das Programm und damit auch das Dargestellte reagieren direkt auf die Bewegung und das Verbiegen des Bildschirms. Was auf den ersten Blick an Science-Fiction erinnert, ist das „Flexpad“, ein Bildschirm aus Papier, den Forscher um Jürgen Steimle vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und dem Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken entwickelt haben.

Bildschirm und Eingabeinstrument zugleich

„Das Papier übernimmt in unserem System gleich zwei Funktionen“, erläutert Steimle. „Es ist Bildschirm und Eingabeinstrument zugleich.“ Ähnlich wie eine Maus einen Computer steuert, kann der Benutzer auf diese Weise mit dem Gerät interagieren. Neben Papier eignen sich aber auch andere Materialien, beispielsweise Bögen aus Kunststoff und Plastik. Wichtig ist nur, dass sie eine gewisse Verformbarkeit und Flexibilität besitzen.

„Im Alltag verformen wir Objekte ganz intuitiv und auf vielfältige Weise. Wir biegen Bücherseiten, drücken Bälle zusammen, falten Papier oder modellieren Ton“, erklärt Steimle und führt weiter aus: „Indem wir Bedienelemente auf greifbare, verformbare Objekte projizieren, können wir Computer und andere technische Geräte einfacher und besser steuern.“

Damit sein Vorhaben in der digitalen Welt funktioniert, ist inzwischen nur noch ein wenig Technik, dafür umso mehr Denk- und Programmierarbeit erforderlich. „Zum einen nutzen wir einen Projektor, der ein Bild oder einen Film auf einem Blatt abbildet“, beschreibt Steimle den Ansatz. „Zum anderen arbeiten wir mit einer Kinect aus dem Hause Microsoft. Die Tiefenkamera lässt Personen per Bewegung Computerspiele steuern, bei uns filmt sie Hände plus Papier und stellt so deren Position im Raum fest.“ Um die Bewegungen der Hände und des Papiers zu erfassen, sind Projektor und Kamera an der Zimmerdecke über dem Benutzer angebracht.

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Bewegte Diagnosebilder oder ein interaktives Kinderbuch

Damit arbeitet Flexpad wie folgt: Die Tiefenkamera filmt Nutzer und Papier und erfasst die Verformungen und Bewegungen des Papiers. Damit dies trotz der recht groben Bilddaten der Kinect präzise und zeitnah geschieht, haben die Forscher zwei Rechenverfahren ausgearbeitet und programmiert. Das erste rechnet zunächst störende Finger und Hände des Benutzers heraus. Bewegt er nun das Papier – egal ob, nach links, nach rechts, ob gebogen oder wellenförmig –, registriert die Kamera dies. Daraufhin beschreibt ein speziell entwickeltes Computermodell diese Bewegungen in Sekundenbruchteilen, damit der Projektor sie nahezu in Echtzeit auf dem Blatt wiedergeben kann.

Allerdings hat Flexpad gewisse Grenzen: Der Nutzer muss, damit das System funktioniert, in einem bestimmten Bereich unter der Kamera und dem Projektor stehen. Er kann sich also nicht frei im Raum bewegen. Einen Schritt weiter gehen so genannte aktive, flexible Displays. Laut der Studie „OE-A Roadmap for Organic and Printed Electronics“ des Industrieverbandes Organic and Printed Electronics Association werden diese in knapp zehn Jahren für Endanwender verfügbar sein. „Unsere Konzepte, die wir mit Flexpad erforschen, können auf diesen neuen Bildschirmtyp übertragen werden“, erklärt Steimle.

Doch schon jetzt seien aufgrund der preiswerten Technik Anwendungen denkbar: „Bei der medizinischen Diagnostik kann der Arzt etwa Ergebnisse einer Computertomografie schnell und einfach mit dem Patienten besprechen. Außerdem kann das System als eine Art interaktives Kinderbuch fungieren, in dem sich bestimmte Figuren, wie zum Beispiel ein Goldfisch, bewegen“, so Steimle.

(Max-Planck-Gesellschaft, 09.09.2013 – NPO)

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