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Klima

Wetterextreme heizen Klimawandel zusätzlich an

Dürren, Hitze und Stürme hemmen die Pufferwirkung der Vegetation und erzeugen so eine positive Rückkopplung

Eine drei Jahre anhaltende Dürre verwandelte dieses Weideland in Australien in Wüste. Künftig könnte ein solches Schicksal noch mehr Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben. © SXC

Dass Wetterextreme mit dem Klimawandel zunehmen, ist nichts Neues. Jetzt aber haben Forscher festgestellt, dass es auch eine umgekehrte Rückkopplung gibt: Häufen sich Dürren, Hitzewellen oder Stürme, dann bremst dies das Wachstum der Vegetation. Als Folge kann diese weniger von dem Treibhausgas Kohlendioxid aufnehmen – und das heizt den Klimawandel an. Durch diesen Effekt könnte sich daher die Erwärmungsspirale noch schneller drehen, so das internationale Forscherteam im Fachmagazin „Nature“.

Allein in diesem Jahr häufen sich bereits die Extreme: Eine Kältewelle im Frühjahr, dann sintflutartige Regenfälle, die halb Mitteleuropa im Hochwasser versinken lassen und nun ein Rekordsommer. Und auch in den Jahren zuvor und anderswo in der Welt scheinen Dürren, Hitzewellen, Starkregen oder Stürme zuzunehmen. Welche Folgen dies für die Vegetation und vor allem für ihre Rolle als Klimapuffer hat, was bisher nur in Teilen bekannt. Klar war, dass Pflanzen beim Wachsen CO2 aufnehmen und deshalb zumindest zum Teil dafür sorgen können, den Anstieg dieses Treibhausgases zu bremsen. Pflanzen und Böden haben in den vergangenen 50 Jahren immerhin bis zu 30 Prozent der Kohlendioxid-Menge aufgenommen, die der Mensch vor allem aus fossilen Brennstoffen freisetzte.

Mit Satellitendaten und Messstationen

Ein internationales Forscherteam um Markus Reichstein, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, hat nun genauer untersucht, wie stark ein klimatisches Extremereignis diese Pufferwirkung von Wäldern, Sümpfen, Graslandschaften und Ackerflächen beeinträchtigt. Aus Messungen von Infrarotsatelliten der Jahre 1982 bis 2011 ermittelten die Forscher dafür Daten zur Lichtabsorption und damit zum Wachstum der Pflanzen und verglichen dabei diese Primärproduktion vor und nach Wetterextremen.

Die vielfältigen Folgen von Wetterextremen: Dürren, Hitzewellen, Stürme, Starkregen und extremer Frost greifen auf verschiedenen Wegen in den Kohlenstoffhaushalt von Wäldern, Graslandschaften und landwirtschaftlichen Nutzflächen ein. Nach oben zeigende Pfeile stehen für eine zusätzliche Belastung der Atmosphäre mit Kohlendioxid. Nach unten weisende Pfeile bedeuten, dass der Atmosphäre Kohlendioxid längerfristig entzogen wird. Orange Pfeile symbolisieren dabei kurzfristige und violette Pfeile langfristige Effekte. © Reichstein et al., Nature, doi: 10.1038/nature12350

Zusätzlich werteten sie Daten von rund 500 Messstationen aus, die weniger Meter über dem Boden oder den Baumkronen die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre sowie die Luftströmungen aufzeichnen. Aus diesen Werten ergibt sich, wie viel Kohlenstoff ein Ökosystem in Form von Kohlendioxid aufnimmt und abgibt. Mit diesen Daten fütterte das Team dann aufwendige Computermodelle, um den globalen Effekt der Wetterextreme auf die Kohlenstoffbilanz zu berechnen.

Elf Milliarden Tonnen CO2 weniger pro Jahr

Das Ergebnis: Wetterextreme haben eine deutlich messbare Wirkung auf die Produktivität und damit auch auf die CO2-Aufnahme der Pflanzenwelt. Dürren und Co sorgen dafür, dass die Vegetation schon jetzt pro Jahr rund elf Milliarden Tonnen weniger CO2 aufnimmt als ohne diese Extremereignisse. Das entspricht etwa einem Drittel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen pro Jahr. Doch das könnte in Zukunft noch mehr werden, denn mit dem zunehmenden Klimawandel soll laut den Prognosen der Klimaforscher auch die Zahl der Wetterextreme steigen.

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Damit aber führt der jetzt entdeckte Zusammenhang zu einer sich verstärkenden Rückkopplung: Nimmt die Erwärmung zu, tun dies auch die Wetterextreme. Diese wiederum hemmen die Pufferwirkung der Vegetation und erhöhen so den Treibhausgehalt der Atmosphäre zusätzlich. Die Folge davon: die Erwärmung nimmt noch stärker und schneller zu.

Die Karte zeigt, in welchen Regionen Trockenheit (blau), Hitze (rot), beide (violett) oder andere (grau) Extremereignisse verhindern, dass Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen. Helle Farben stehen für einen schwachen Effekt, kräftige für einen starken. © Reichstein et al., /Nature doi: 10.1038/nature12350

Wälder werden besonders beeinträchtigt

Insbesondere extreme Dürreperioden reduzieren dabei deutlich die Menge an Kohlenstoff, die Wälder, Wiesen und landwirtschaftliche Nutzflächen aufnehmen. „Wir haben festgestellt, dass die meisten Probleme für den Kohlenstoffhaushalt nicht durch extreme Wärme, sondern durch Trockenheit entstehen“, erläutert Reichstein.

Besonders starke, vielfältige und langfristige Effekte von extremen Wetterereignissen erwarten er und seine Kollegen für Waldökosysteme. So kann eine Dürre Bäumen nicht nur unmittelbar schaden, sie macht sie auch anfälliger für Schädlinge und Feuer. Zudem erholt sich ein Wald nach einem Feuer oder Sturmschaden sehr viel langsamer als andere Ökosysteme, wobei etwa ein Sturm einer Graslandschaft gar nichts anhaben kann.

Seltene große Extreme wirken stärker als viele kleine

Wie die Forscher zudem herausfanden, verteilen sich die extremen Einbrüche in der Kohlenstoffaufnahme entsprechend einem Skalierungsgesetz. Das bedeutet, dass wenige große Ereignisse den globalen Gesamteffekt dominieren, während die häufigeren kleinen Ereignisse weltweit eine deutlich geringere Rolle spielen.

Um die Folgen der Extremereignisse noch besser zu verstehen, planen die Forscher weitere Studien. So wollen sie die Reaktionen der verschiedenen terrestrischen Ökosysteme in Labor- und Freilandexperimenten untersuchen. „Solche Experimente gibt es zwar bereits, sie betrachten aber meist nur Extremereignisse, die einmal in 100 Jahren auftreten“, erklärt Michael Bahn, ein Projektpartner von der Universität Innsbruck. „Wir sollten auch Ereignisse in den Blick nehmen, die bisher nur einmal in 1.000 oder gar 10.000 Jahren auftreten, weil sie gegen Ende dieses Jahrhunderts viel häufiger werden dürften.“ (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature12350)

(Max-Planck-Gesellschaft, 15.08.2013 – NPO)

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