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Archäologie

Rohstoff antiker Perlen stammte aus Ägypten

Elementzusammensetzung gibt Einblick in Handelsverbindungen im ersten Jahrhundert

Eine der untersuchten blauen Glasperlen aus der Römerzeit © Institut für Kernchemie, JGU

Antike Funde sind nicht nur an sich beeindruckend – sie ermöglichen oft tiefe Einblicke in das Leben in grauer Vorzeit. Mit Hilfe moderner Analysemethoden werden zum Beispiel auch frühe Handelswege identifiziert: Jetzt fanden Wissenschaftler heraus, dass die Rohstoffe antiker Glasperlen, die in einer frühen Siedlung im heutigen Bayern gefunden wurden, offenbar aus Ägypten stammen.

In der Antike konnte eine Schmelztemperatur von 1.800 Grad Celsius für reinen Sand, dem Ausgangsstoff für Glas, noch nicht erreicht werden. Daher musste ein Flussmittel zum Absenken der Schmelztemperatur zugesetzt werden. Das war meist Pflanzenasche oder natürliches Soda, also Natriumcarbonat. Pflanzenasche war in allen Regionen frei zugänglich und wurde je nach Lage der Glaswerkstätten eingesetzt. Spuren dieses Flussmittels in den Glasperlen können daher verraten, woher eine Perle oder zumindest das für sie verwendete Rohglas oder Rohmaterial stammte. Ablesbar ist dies unter anderem an der Elementzusammensetzung der Pflanzenasche. So enthält beispielsweise die Asche von Meeres- oder Uferpflanzen durch den salzhaltigen Boden mehr Natrium, während im Binnenland der Kaliumgehalt der Pflanzen überwiegt.

Diese Tatsache hat nun Archäologen geholfen: Bei Ausgrabungen an vier verschiedenen Orten nahe Oberammergau wurden insgesamt 42 Glasperlen, 38 aus der Zeit von 30 bis 60 nach Christus und vier spätrömische Perlen (4. Jahrhundert n.Chr.), gefunden. Einige der Perlen fallen durch ihre besondere Farbigkeit auf. Sie sind blau, grün oder violett – auch hier kann man auf die enthaltenen Elemente schließen: Kupfer färbt grün, Kobalt blau-schwarz und Mangan violett. Dies aber sollte nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Die Wissenschaftler wollten unter anderem wissen, woher die Rohstoffe der Perlen stammen.

Bei einer der Fundstätten handelte es sich um einen Opferplatz der dort siedelnden Menschen. Die Glasperlen, die der Bevölkerung als Schmuck dienten, zeigen Brandspuren eines Opferfeuers. „Die Analyse dieser Perlen war für uns besonders interessant, weil die Funde des Opferplatzes erstmals eindeutig belegen, dass diese Region damals schon besiedelt war“, erklärt Christian Stieghorst, Mitbetreuer der Untersuchung an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (JGU). Um nun aber der Zusammensetzung der Perlen genauer auf den Grund zu gehen, mussten die Wissenschaftler ein spezielles Verfahren anwenden.

Rohstoffanalyse zeigt Herkunft

Mithilfe der sogenannten Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) konnte die Elementzusammensetzung der Perlen bestimmt werden. Dazu wurden die Proben am Forschungsreaktor TRIGA bestrahlt. Durch den Beschuss mit Neutronen werden die Atomkerne aktiviert und es entsteht Strahlung und auch kurzlebige Zerfallsprodukte. Diese sind für jedes Element typisch und können daher mit einem entsprechenden Detektor erfasst und bestimmt werden. „Der TRIGA als Bestrahlungseinrichtung bietet ideale Voraussetzungen, um völlig zerstörungsfrei einen chemischen Fingerabdruck der Proben zu erhalten“, erläutert Gabriele Hampel, Betriebsleiterin des Forschungsreaktors. Die Wissenschaftler interessierte vor allem die Elementzusammensetzung der Perlen. Denn daraus lässt sich ableiten, woher die verwendeten Rohstoffe stammen.

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Die Analysen ergaben, dass alle Perlen aus Natronglas bestehen: Ein Natriumoxid-Gehalt von bis zu 20 Prozent zeigt, dass zumindest der Rohstoff Natrium, eventuell sogar das fertige Rohglas, aus der Nähe eines Natronsees wie dem Wadi Natrun in Ägypten stammen muss. Denn: Bayerische Pflanzenasche kann keinen so hohen Natriumgehalt haben. Das hier verwendete Pflanzenmaterial muss an oder in einer salzreichen Umgebung gewachsen sein.

Silber im Überfang

Und noch etwas stellten die Wissenschaftler fest: „Ein überraschendes Ergebnis war für uns der ungewöhnlich hohe Silbergehalt in den Oberammergauer Glasperlen und besonders seine auffällige Verteilung“, erklärt Karches. Bei diesen Perlen handelt es sich um sogenannte Überfangperlen, die in einem zweistufigen Verarbeitungsprozess hergestellt wurden. Dabei wurde zuerst ein Glasinnenkern mit einer dünnen Silberschicht und anschließend mit einer weiteren, klaren Glasschicht überzogen. Das damals Silber für die Überfangperlen verwendet wurde, ist eine neue Erkenntnis und ein wichtiges Ergebnis der Analysen am TRIGA in Mainz.

Die Untersuchungen liefern damit auch für Historiker wichtige Hinweise auf Handwerk und Technik, Handelsrouten und die Lebensweise der Menschen zu jener Zeit.

(Universität Mainz, 14.08.2013 – SEN)

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