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Zoologie

Auch Lemurenbabys gehen in die Krippe

Gemeinsame Baby-Nester erleichtern den Müttern die Aufzucht - mehr Nachkommen überleben

Ein Kragenlemur, auch Schwarzweißer Vari genannt (Varecia variegata). © Benherz / CC-by-sa 3.0

Junge madagassische Kragenlemuren überleben eher, wenn sie in gemeinschaftlichen Krippen oder Baby-Nestern aufwachsen – die Mütter haben dann mehr Zeit zur Futtersuche und können so die Verantwortung für die Aufzucht des Nachwuchses teilen. Über dieses für Primaten ungewöhnliche Verhalten berichten nun erstmals Wissenschaftler im Fachjournal „Behavioral Ecology and Sociobiology“.

Die schwarz-weißen Kragenlemuren sind große, gesellige Primaten. Sie leben in sozialen Gemeinschaften, um ihr Territorium besser zu verteidigen. Sie sind die einzigen tagaktiven nicht-menschlichen Primaten, die als Nesthocker noch nicht voll entwickelt zur Welt kommen. Die Jungen brauchen daher, genau wie menschliche Babys auch, besondere Fürsorge und Ernährung. Die Mutter muss sich daher in den ersten Wochen intensiv um ihren Nachwuchs kümmern, sie hat dann weniger Zeit für Futtersuche und Fressen. Hinzu kommt: Die Jungen können sich noch nicht sofort nach der Geburt an der Mutter festhalten. Daher kann sie ihren Kleinen nicht mit in die Baumkronen nehmen, um dort nach Futter zu suchen.

Babysitting finden auch Lemuren gut

Wie die Kragenlemuren dieses Dilemma bei der Jungenaufzucht lösen, haben Andrea Baden von der Yale Universität und ihr Team nun genauer untersucht. Sie beobachteten acht schwarz-weiße Kragenlemuren-Weibchen (Varecia variegata) im Ranomafana National Park auf Madagaskar. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Lemurenweibchen seine Jungen alleine aufzieht. Die anderen entwickeln ein System gemeinschaftlicher Gruppen-Nester: Sie kümmern sich gemeinsam um Pflege und Babysitting. Mehrere Mütter bündeln gewissermaßen ihre Kräfte, bis der Nachwuchs sich nach etwa zehn Wochen alleine fortbewegen kann.

Diese Aufzuchtmethode ist für Säugetiere und speziell für Primaten sehr ungewöhnlich, wie die Forscher erklären. Abgesehen vom Menschen sei dies nur noch bei einigen nachtaktiven Primaten der Fall. Warum machen die Lemuren eine Ausnahme? Auch diese Frage hat das Forscherteam untersucht. Dabei zeigte sich: Nutzten sie solche gemeinschaftliche Babykrippen, konnten die Lemurenweibchen mehr Zeit abseits des Nests verbringen als die alleinerziehenden Mütter.

Auf Bäumen herumklettern geht nur ohne den Nachwuchs, da dieser sich anfangs noch nicht festhalten kann. © Frank Vassen / CC-by-sa 2.0 us

Mehr Jungtiere überleben

Und noch etwas stellten die Forscher fest: Auch die Überlebensrate der Kleinen war signifikant höher, je stärker dieses Krippensystem genutzt wurde. Genetische Tests zeigten außerdem, dass diese Art der Zusammenarbeit zwar unter verwandten Lemuren besonders verbreitet ist, aber das auch nicht miteinander Verwandte durchaus ihre Jungen gemeinsam aufziehen. Dasselbe gilt für den Menschen wie auch für einige andere gemeinsam brütende Vögel und Säugetiere.

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„Verwandtschaft hat möglicherweise zur Entwicklung der gemeinsamen Jungenaufzucht bei den Primaten beigetragen. Doch ob verwandt oder nicht: Es ist ganz klar, dass Vorteile für beide Seiten die Nachteile der erbrachten Hilfe definitiv überwogen haben“, sagt Baden. Sie ist überzeugt, dass die Studie viel zum Verständnis dieses Phänomens beiträgt. „Unsere Forschungsergebnisse liefern weitere Beweise dafür, dass Verwandtschaft allein die umfangreiche Kooperation vieler Tierarten nicht erklären kann“, so die Forscherin. Auch beim Menschen bieten Kinderkrippen so manchen Vorteil – und auch da spielt Verwandtschaft meist keine Rolle.

(Springer Science+Business Media, 07.08.2013 – SEN)

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