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Neurobiologie

Unternehmer sind tatsächlich antisozialer

Spätere Firmengründer haben als Jugendliche einen stärkeren Hang zu Regelwidrigkeit

Unternehmer, Manager, Firmengründer: antisozialer als andere? © SXC

Sie gelten als skrupellos, stellen den Profit über alles und setzen ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste durch: Unternehmertypen genießen nicht gerade einen guten Ruf. Aber ist das schlechte Bild auch berechtigt? Das haben nun Psychologen genauer untersucht. Und tatsächlich: Zumindest in ihrer Jugend haben spätere Fírmengründer deutliche antisoziale Tendenzen. Sie schummeln, klauen und sind alles andere als brav. Sind sie dann einmal erwachsen, verhalten sie sich allerdings wieder eher unauffällig.

Sind Unternehmer eine besonders eigennützige Spezies mit eigenen moralischen Vorstellungen und ethischen Prinzipien? Gibt es den unternehmerischen „Homo oeconomicus“ wirklich – einen Typus der zuallererst auf den eigenen Nutzen und Gewinn schaut und sich von ethischen und sozialen Prinzipien lossagt? Und wenn ja: Was macht ihn aus? Diesen Fragen sind nun Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) gemeinsam mit schwedischen Kollegen der Universität Stockholm nachgegangen. „Es wird oft behauptet, dass sie von der Persönlichkeit her eher antisozial und nur auf ihren eigenen Nutzen bedacht sind“, beschreibt der Jenaer Psychologe Martin Obschonka die Klischees.

Für ihre Untersuchung werteten die Forscher Daten einer Langzeitstudie aus, bei der rund tausend Schüler einer schwedischen Stadt über 40 Jahre hinweg beobachtet und begleitet wurden. „Wir haben diese Daten auf die Frage hin untersucht, wer von den Studienteilnehmern später Unternehmergeist gezeigt und ein eigenes Unternehmen in der beruflichen Karriere gegründet hat und was diese Personen für ein Sozialverhalten an den Tag gelegt haben“, sagt Obschonka. Dazu analysierten die Forscher umfangreiche Daten zu regelwidrigen Verhaltensweisen und Einstellungen der Probanden. Diese antisozialen Tendenzen bezogen sich sowohl auf die Jugend als auch das Erwachsenenalter und es wurden zudem umfangreiche Archivdaten zu polizeilich registrierten und sanktionierten Straftaten ausgewertet.

Deutliche Tendenz zu regelwidrigem Verhalten

Das Ergebnis: Tatsächlich stellten die Forscher systematische antisoziale Tendenzen in den Lebensläufen der Unternehmer fest – aber nur bei Männern. Die Wesenszüge der späteren Fírmengründer unterschieden sich in entscheidenden Punkten von denen der Nichtgründer, wie die Forscher berichten. So hatten sie in ihrer Jugend eine deutlich höhere Tendenz zu regelwidrigem Verhalten in der Schule, zu Hause im Umgang mit ihren Eltern sowie in der Freizeit. Beispiele hierfür waren häufigeres Missachten elterlicher Verbote, häufigeres Schummeln und Schwänzen in der Schule, häufigerer Drogenkonsum oder auch häufigeres unerlaubtes „Mitgehenlassen“ von Dingen in Geschäften. Dieses Ergebnis zeigte sich vor allem bei den männlichen Studienteilnehmern.

Allerdings: Diese frühen antisozialen Tendenzen beschränkten sich meist auf geringere Vergehen. In Bezug auf behördlich geahndetes kriminelles Verhalten wichen die späteren Unternehmer dagegen nicht signifikant vom normalen Verhalten ab – weder in der Jugend noch im Erwachsenenalter. „Die Daten sprechen dafür, dass im Durchschnitt die Unternehmer keine kriminelleren Karrieren haben als die Nicht-Gründer“, erläutert Obschonka.

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Als Erwachsene innovativ statt antisozial?

Und noch etwas zeigte die Studie: Als Erwachsene wichen die Unternehmensgründer in punkto antisozialem Verhalten nicht mehr von der Norm ab. Es gab nun keine messbaren Unterschiede mehr zu ihren Altersgenossen, die andere Karrierewege eingeschlagen hatten. Aus dem Drang zu regelwidrigem Verhalten in der Jugend folge offenbar nicht die Konsequenz, dass im Erwachsenenalter noch immer notorisch Regeln gebrochen und antisoziales Verhalten an den Tag gelegt werden müsse, so Obschonka.

Stattdessen scheint sich der Hang zum Nonkonformismus dann anders zu äußern: Für Unternehmensgründer ist es entscheidend, Innovation und Visionen zu verwirklichen – nötigenfalls auch über ungewöhnliche und risikobehaftete Wege. Dieser Mut zum Ungewöhnlichen und zum Neuen könnte seine Entwicklungsvorläufer im regelwidrigen Verhalten in der Jugend haben, mutmaßen die Forscher.

„Wie die Daten nahelegen, führt ein rebellierendes Verhalten gegen gesellschaftlich akzeptierte Normen in der Jugend und ein frühes Infragestellen von Grenzen nicht unbedingt zu kriminellen und antisozialen Karrieren, sondern kann durchaus die Grundlage für späteren produktiven und sozial-verträglichen Unternehmergeist sein“, so Obschonka. Eine Risikoneigung, die sich schon in der Jugend zeigt, spiele dabei eine wichtige Rolle für die späteren Entwicklungen. (Journal of Vocational Behavior, 2013; doi: 0.1016/j.jvb.2013.06.007)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07.08.2013 – NPO)

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