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Astronomie

Exotische Sterne: Bleierne Wolken statt Wasserstoff

Eine 100 Kilometer dicke Schicht aus Blei bedeckt die Oberfläche zweier Zwergsterne

So könnte der bleierne Zwerg HE2359-2844 aussehen. Seine relativ hohe Temperatur lässt ihn bläulich leuchten. © C. S. Jeffery

Das ist Heavy Metal in Reinform: Astronomen haben zwei Sterne entdeckt, die von einer massiven Schicht aus Blei überdeckt sind – hundert Kilometer dick und rund 100 Milliarden Tonnen schwer. Auch andere Schwermetalle kommen auf ihnen tausende Male häufiger vor als auf unserer von Wasserstoff dominierten Sonne. Möglicherweise, so vermuten die Forscher, sind diese stellaren Sonderlinge sogar nur die Vorhut einer bisher verborgenen Klasse von Sternen, die beim Tod Roter Riesen entsteht.

Normalerweise dominieren in Sternen wie der Sonne leichte Elemente: Vor allem Wasserstoff, der Brennstoff für die Kernfusion, ist in ihr reichlich vorhanden. Es gibt aber auch Sterne, die weniger Wasserstoff und dafür mehr schwerere Elemente, darunter vor allem Helium enthalten, sogenannte heliumreiche Sub-Zwerge. Vor drei Jahren stießen Astronomen auf einen besonders seltenen Sonderling dieser Art: Seine Oberfläche war mit ungewöhnlich viel Zirkon überdeckt – dem Material, aus dem falsche Diamanten gemacht werden.

Zehntausend Mal mehr Blei als in der Sonne

Aber es geht noch außergewöhnlicher: Astronomen vom Armagh Observatorium in Nordirland haben nun zwei extrem schwermetallhaltige Sterne entdeckt. Mit der Ordnungszahl 82 ist Blei eines der schwersten natürlich vorkommenden Elemente, damit es in einem Stern entsteht, sind besondere Bedingungen nötig. Unter anderem deshalb kommt in der Sonne gerade einmal ein Bleiatom auf zehn Milliarden Atome Wasserstoff. Anders dagegen bei dem 800 Lichtjahre von uns entfernten Stern HE 2359-2844 und seinem 1.000 Lichtjahre entfernten Artgenossen HE 1256-2738: Ihre Oberfläche enthält nicht nur zehntausend Mal mehr Blei als unsere Sonne – das Blei liegt auch in ungewöhnlicher Form vor.

Bemerkbar machte sich dies im Lichtspektrum der beiden Sterne: Als die Astronomen diese Spektren mit Hilfe des Very Large Telescope der ESOI in Chile analysierten, stießen sie darin auf einige Spektrallinien, die zu keinem der bekannten Atome zu passen schienen. Nach einiger Detektivarbeit entdeckten sie auch warum: Auf der Oberfläche von HE 2359-2844 und HE 1256-2738 herrschen Temperaturen von rund 38.000 Grad Celsius und bei dieser Hitze bleibt Blei nicht atomar, sondern verliert drei Elektronen aus seiner Hülle. Dadurch entstehen Blei-Ionen, die die seltsamen Spektrallinien erzeugten. Einer der beiden Sterne war zusätzlich auch in Bezug auf zwei andere schwere Elemente ungewöhnlich gut ausgestattet: HE 2359-2844 enthält zehntausend Mal mehr Yttrium und Zirkon als die Sonne.

Relikt eines schrumpfenden Roten Riesen?

Nach Ansicht der Astronomen deuten die beiden Neuentdeckungen darauf hin, dass es eine ganze Klasse solcher Schwermetall-Sterne geben könnte. Sie bilden möglicherweise das entscheidende Bindeglied zwischen zwei stellaren Extremen: Den gewaltigen Roten Riesen und den blauen Subzwergen, Ministernchen, die rund fünf Mal kleiner, aber 70 Mal heller sind als die Sonne. Denn wenn Rote Riesen das Ende ihrer Lebenszeit erreichen, verlieren sie nach und nach ihre Wasserstoffhülle und schrumpfen zu heißen, heliumreichen Subzwergen zusammen. Während dieses Prozesses bilden sich um den Stern Schichten unterschiedlich schwerer Elemente.

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Ähnlich wie Wasserdampf Wollen in der Erdatmosphäre bildet, könnten auch Blei und andere schwere Elemente bei diesen Sternen eine Art Schwermetall-Wolken bilden, wenn sie in diesen Schichten konzentriert werden. Dadurch schlucken sie einen Teil des Lichts und ihre Zusammensetzung wird von der Erde aus als Linie im Spektrum sichtbar. Die Wissenschaftler wollen nun nach weiteren Exemplaren dieser seltenen Schwermetall-Subzwerge suchen und näher erkunden, wie und warum sie sich bilden. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2013, doi: 10.1093/mnras/stt1091)

(Royal Astronomical Society (RAS), 02.08.2013 – NPO)

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