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Geowissen

Erdbeben setzen Treibhausgas Methan frei

Erdstöße lassen Gashydrat-Schichten reißen und fördern so den Methan-Ausstoß stärker als gedacht

Der Meeresboden vor der pakistanischen Küste in 2.861 Meter Tiefe. Rechts oben einer der Greifarme des Tauchroboters MARUM-QUEST. Das Tauchfahrzeug hat gerade den Temperatursensor ausgesetzt, der unten rechts zu sehen ist. Damit werden Temperaturprofile des Meeresbodens erstellt. © MARUM, Universität Bremen

Erdbeben können den Meeresboden so destabilisieren, dass große Mengen des potenten Treibhausgases Methan in den Ozean und die Atmosphäre entweichen. Das zeigen die Folgen eines Bebens der Stärke 8,1 vor Pakistan. Die Erdstöße beschädigten damals eine Sperrschicht aus Methanhydrat und durch die Risse und Spalten konnten seither Millionen Kubikmeter Methangas aufsteigen. Wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten, könnte dies auch an anderen Küsten vorkommen. Die Wirkung von Erdbeben auf solche Gasemissionen und damit auf das Klima sei daher bisher stark unterschätzt worden.

Methan, eine Verbindung aus Wasserstoff und Kohlenstoff, ist eines der stärksten Treibhausgase in der Atmosphäre, es hat eine rund 25 Mal stärkere Treibhaus-Wirkung als Kohlendioxid. Schon mehrfach in der Erdgeschichte haben plötzliche, starke Ausstöße dieses potenten Treibhausgases das globale Klima dramatisch verändert. Im Sediment größerer Meerestiefen ist das Methan in Form von sogenannten Methanhydraten gespeichert – einer eisartigen Verbindung, bei der das Methan in einer Art Käfig aus Wassereis gefangen ist.

Diese Substanz ist allerdings nur unter hohem Druck und bei niedrigen Temperaturen stabil. Solange diese beiden Bedingungen gegeben sind, verhindern die Hydrate, dass das Methan ausgast und in den Ozean und – möglicherweise – in die Atmosphäre austritt. Gleichzeitig wirken sie als Barriere für freies Methan, das sich in den Sedimentschichten unter ihnen befindet – solange die Barriere intakt bleibt. „Methanhydrate kommen häufig in seismisch aktiven Regionen der Erde vor, bisher war aber weitestgehend unklar, wie sich Erdbeben auf sie auswirken und ob sie als Auslöser für Methanfreisetzungen in Frage kommen“, erklären David Fischer vom MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und seine Kollegen.

Bohrkerne enthüllen Erdbebenfolgen

Um das näher zu erkunden, analysierten die Forscher die Folgen eines Erdbebens der Stärke 8,1, das sich 1945 vor der Küste Pakistans ereignete. Dazu analysierten sie zwei Sedimentbohrkerne, die 2007 vor der pakistanischen Küste gewonnen worden waren. Einer der beiden Bohrkerne wies eine schwammartig zerlöcherte Struktur auf. Nach Angaben der Wissenschaftler ist dies ein Zeichen dafür, dass hier früher Methanhydrate enthalten waren, die sich auflösten sobald der Bohrkern an die Oberfläche befördert wurde.

Vor der pakistanischen Küste: Das Tauchfahrzeug MARUM-QUEST geht am Heck des Forschungsschiffs METEOR zu Wasser. MARUM-QUEST kann maximal in bis zu 4.000 Meerestiefe abtauchen. Es ist u.a. mit HD-Videokameras, diversen Scheinwerfern und zwei Greifarmen ausgerüstet und wird von einem Kontroll-Container, der an Deck der METEOR steht (links auf dem Deck zu sehen), ferngesteuert. © V. Diekamp, MARUM, Universität Bremen

Noch viel wichtiger aber: In der Methanhydratschicht des Kerns zeigten sich auch zahlreiche Risse und Spalten – ein Hinweis darauf, dass die Hydrat-Barriere an dieser Stelle beschädigt worden sein muss, wie die Forscher erklären. Geochemische Untersuchungen ergaben, dass dies irgendwann zwischen 1916 und 1962 geschehen sein muss, wahrscheinlich aber genau zum Zeitpunkt des Erdbebens im Jahr 1945 – einem der stärksten, die jemals im Arabischen Meer aufgezeichnet worden sind. „Die nähere Beschäftigung mit diesem Beben führte uns zu der Annahme, dass es Risse und Spalten am Meeresboden verursachte“, erklärt Fischer. Diese durchbrachen auch die Hydratbarriere und so konnte das unterhalb dieser Schicht gefangene Methangas nach oben entweichen.

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Genug Methan für zehn große Gastanker

Die Forscher schätzen, dass seit dem Erdbeben etwa 7,4 Millionen Kubikmeter Methan aus dem Meeresboden ins den Ozean geströmt sind – das entspricht etwa der Ladung von zehn großen Gastankern. Dabei sind jene Methanmengen noch nicht einmal mit eingerechnet, die als unmittelbare Folge Bebens in den ersten Tagen danach freigesetzt wurden. Das zeige, dass Erdbeben durch die mechanische Beschädigung von Methanhydratreservoiren mindestens so viel Methan freisetzen können wie natürliche Gasquellen am Meeresgrund.

„Wahrscheinlich gibt es im nördlichen Indischen Ozean noch weit mehr Gebiete, in denen sich das damaligen Erdbeben ähnlich ausgewirkt hat“, erläutert Fischer. Dieser bislang weitgehend unbekannte natürliche Mechanismus, durch den Treibhausgase am Meeresboden freigesetzt werden, ist nach Ansicht der Forscher auch wichtig für die Klimaforschung. Denn nur, wenn alle Quellen dieses Treibhausgases bekannt sind, lasse sich der globale Kohlenstoffhaushalt genauer abschätzen. Bisher aber seien Erdbeben als Auslöser von verstärkten Methan-Emissionen in den Klimamodellen nicht berücksichtigt. (Nature Geoscience, 2013; doi: 10.1038/ngeo1886)

(Universität Bremen, 29.07.2013 – NPO)

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