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Technik

Unterwasserantrieb aus dem 3D-Drucker

Forscher schauen sich lautlosen Rückstoßantrieb von Oktopussen ab

Vier elastische Kunststoffbälle pumpen Wasser und sorgen so für den erforderlichen Vortrieb. Das Antriebssystem wurde mit dem generativen Fertigungsverfahren Fused Deposition Modeling hergestellt. © Fraunhofer IPA

Von der Natur abgeschaut: Forscher haben ein lautloses Antriebssystem für Boote und Wassersportgeräte gebaut, bei dem der Oktopus als Vorbild diente. Elastische Kunststoffbälle dienen dabei als Antriebsdüsen. Das Besondere: Der Antrieb lässt sich kostengünstig mit einem 3D-Drucker in einem Arbeitsgang herstellen.

Oktopoden – auch als Kraken oder Tintenfische bekannt – gelten als die intelligentesten wirbellosen Tiere. Man bezeichnet sie auch als die „Weisen der Meere“. Sie sind lernfähig, können Dosen öffnen und sogar Muster unterscheiden. Clever verhalten sie sich auch, wenn ein Feind naht. Während sie sich normalerweise mit ihren acht Armen über den Meeresboden bewegen, flüchten sie bei Gefahr mit dem Kopf voran, indem sie das Rückstoßprinzip anwenden. Dabei nehmen die Weichtiere Wasser in ihrer Mantelhöhle auf und verschließen diese dann durch Zusammenziehen der Ringmuskeln. Anschließend pressen sie das Wasser mit hohem Druck durch einen Trichter heraus. Der dabei entstehende Rückstoß drückt den Oktopus in entgegengesetzter Richtung vorwärts. Durch Verändern der Trichterstellung kann der Krake gezielt seine Fortbewegungsrichtung steuern.

Elastische Kunststoffbälle als Antrieb

Dieses intelligente Rückstoßprinzip stand Forschern des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA beim Entwickeln eines Unterwasserantriebs Pate. „Kraken nutzen diese Art der Fortbewegung hauptsächlich für eine plötzliche schnelle Flucht. Das System ist zwar einfach, aber effektiv. Die Oktopoden können damit über kurze Strecken enorm beschleunigen“, sagt Andreas Fischer, Ingenieur am IPA in Stuttgart. „Wir haben das Antriebsprinzip in unsere Unterwasseraktoren integriert: Vier elastische Kunststoffbälle mit einem mechanischen Innenleben pumpen Wasser und sorgen so für Vortrieb.“

Jeder Kunststoffball verfügt über eine Öffnung, über die das Wasser angesaugt wird; ein Rücklaufventil verhindert den Rückfluss. Ein Hydraulikkolben zieht die integrierte Seilstruktur wie einen Muskel zusammen und presst so das Wasser aus dem rund 20 x 6 Zentimeter großen Ball heraus. Der Hydraulikkolben wiederum wird durch eine Motorpumpe bewegt. „Unser Unterwasseraktor eignet sich, um kleine Boote präzise zu manövrieren. Denkbar ist auch der Einsatz als Schwimmhilfe für Wassersportgeräte wie Jetskis, Surfbretter oder Tauchscooter, die Taucher in die Tiefe ziehen. Im Gegensatz zu Schiffspropellern ist er geräuscharm, auch können sich Fische nicht verfangen“, betont der Forscher die Vorzüge des Systems, das erste Tests im Labor bereits erfolgreich bestanden hat.

3D-Drucker verkürzt Produktionsprozess

Der Clou: Die Experten können den Antrieb in einem Arbeitsgang per 3D-Druck fertigen. Um dessen komplexe innere Geometrie formlos mit einem weichen Kunststoff herstellen zu können, entschieden sich die Forscher für das generative Fertigungsverfahren Fused Deposition Modeling, kurz FDM. Hierbei wird der zu verarbeitende Kunststoff im Schmelzkopf per Hitze verflüssigt und in der Druckdüse in einen dünnen Strang umgewandelt. Diese Faser wird anschließend schichtweise von unten nach oben zu einem komplexen 3D-Bauteil aufgetragen. Als Material verwenden Fischer und sein Team flexible Kunststoffe wie Polyurethan. Der so hergestellte Unterwasserantrieb hält extremem Druck stand, ohne zu brechen. Selbst nach starker Belastung nimmt er wieder seine Ursprungsform an.

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Per FDM ist es den Forschern zudem möglich, die Antriebsmodule zu skalieren, sogar zwei Meter große Bauteile lassen sich dreidimensional drucken. Dies gelingt ihnen mithilfe eines eigens entwickelten Industrieroboters, der mit drei Schmelzköpfen ausgestattet wurde. „Derzeit liegt das maximale Bauvolumen von kommerziell erhältlichen FDM-Anlagen bei 91,4 x 61 x 91,4 Zentimetern, wobei nicht mehr als zehn verschiedene Thermoplaste schichtweise verarbeitet werden können“, erläutert der Wissenschaftler die Vorteile des Schmelzverfahrens. „Mit einem roboterbasierten FDM sind weitaus größere Bauteile auch mit unterschiedlich kombinierbarem Material herstellbar. Indem wir beispielsweise Endlosfasern in Thermoplasten integrieren, können wir in kurzer Zeit Carbonfaser verstärkte Bauteile (CFK) kostengünstig fertigen.“ Auch lasse sich der Produktionsprozess durch den Einsatz von mehreren Robotern, die gleichzeitig an einem Bauteil arbeiten, deutlich verkürzen.

(Fraunhofer IPA, 02.07.2013 – SEN)

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