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Astronomie

Forscher enträtseln Gammastrahlung

Astrophysikerin untersucht Hochenergiestrahlungsprozesse

Bild des zentralen Kernbereichs und des Jets der Radiogalaxie M 87 © NASA / STScI / AURA

Jets sind im All eine der prominentesten Quellen energiereicher Gammastrahlung. Wie genau aber diese Strahlung zustande kommt, ist bisher nicht bekannt. Die Astrophysikerin Anita Reimer von der Ruhruni Bochum will jetzt klären, woraus sich die vom Jet ausgestoßene Materie zusammensetzt und wie dabei die energiereiche Strahlung entsteht.

Prominenteste Quelle energiereicher Gammastrahlung

Jets von so genannten Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) machen sich bemerkbar durch gerichtete Strahlung aus Jet-Emissionsknoten von der Größe unseres Sonnensystems, die sich mit relativistischer Geschwindigkeit, d.h. fast so schnell wie das Licht, entlang der Jetachse bewegen. Extragalaktische Jets sind die prominentesten Quellen energiereicher Gammastrahlung oberhalb von etwa einem Mega-Elektronen-Volt: das millionenfache der Energie, welches ein Elektron beim Durchlaufen einer Ein-Volt Spannung gewinnt. Ist ein Jet nahezu direkt auf den Beobachter gerichtet, spricht man von einem „Blasar“. Man nimmt an, dass diese Jets durch ein supermassives schwarzes Loch mit der Masse von hundert Millionen bis einer Billion Sonnenmassen im Innern des aktiven galaktischen Kerns angetrieben sind. „Das ausgestoßene Jetmaterial selbst muss größtenteils aus relativistischen Teilchen bestehen“, so Reimer. „Um was genau es sich dabei handelt, versuchen Wissenschaftler seit der Entdeckung dieser Blasare im Gammastrahlungsbereich herauszufinden.“

Beobachtungen von Blasaren geben nur Puzzlestücke preis

Anhand von rapiden Änderungen der Gammastrahlungs-Intensität innerhalb kürzester Zeit und den beobachteten Geschwindigkeiten der Emissionsknoten schätzen die Forscher die Größe des Emissionsgebietes und seine Geschwindigkeit ab. Messungen der Strahlungsintensität und der Photonenenergie (sog. Spektren) zeigen, dass die abgestrahlte Energieleistung in zwei Wellenlängenbereichen besonders ausgeprägt ist.

Die Strahlung im niederenergetischen Wellenlängenbereich lässt sich einfach erklären: Polarisationsmessungen weisen auf eine Synchrotronstrahlung hin, d.h. in einem Magnetfeld spiralende Teilchen, die ihre Energie durch Strahlung verlieren. Die Existenz von Magnetfeldern in den Jet-Emissionsgebieten gilt daher als gesichert. Aussagekräftige Polarisationsmessungen im hochenergetischen Gammastrahlungsbereich sind mit den heutigen Instrumenten aber noch nicht möglich.

Relativistisches Paarplasma ….

Theoretiker haben zwei Möglichkeiten zur Erklärung der Hochenergiekomponente. Falls das Jetplasma größtenteils aus relativistischen Elektronen und Positronen besteht (ein so genanntes Paarplasma), so lässt sich die Gammastrahlung als sog. inverse Compton Strahlung erklären: Photonen mit niedriger Energie wechselwirken mit freien relativistischen, also hoch-energetischen, Elektronen, und nehmen dabei einen Großteil der Elektronenenergie auf: sie werden zu Gammaphotonen. Experten sprechen vom „leptonischen Blasar-Emissionsmodell“.

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… oder doch „gewöhnliches“ Elektron-Proton-Plasma?

Das andere mögliche Szenario beschreiben „hadronische Blasar-Emissionsmodelle“: Existieren hoch-relativistische Protonen im Jetplasma, deren Teilchenenergie weit über eine Million Giga-Elektronen-Volt hinausgeht, wechselwirken die Protonen mit den niederenergetischen Photonen und können so eine Vielzahl von instabilen Teilchen produzieren. Diese instabilen Teilchen zerfallen so lange, bis stabile Teilchen die Produktion beenden. Dies sind neben hochenergetischen Photonen auch Protonen, Neutronen, Elektronen, Positronen und Neutrinos. So genannte Paarkaskaden, die die Photonen und die Strahlung der geladenen, (noch) nicht zerfallenen Teilchen einleiten, überführen die Energie der Photonen vom Ultrahochenergiebereich (10^15 bis 10^20 Elektronen-Volt) in den für Gammastrahlungsinstrumente „sichtbaren“ Bereich.

Beobachtungen sollen Theorien überprüfen helfen

Beide Emissionsmodelle können die bisherigen Beobachtungsbefunde erklären. „Es gilt also, geeignete Beobachtungsstrategien zu entwickeln, die auf unterschiedlichen, überprüfbaren Voraussagen beider Modelltypen basieren“, erläutert Reimer. Dazu suchen die Forscher das gesamte elektromagnetische Spektrum nach Hinweisen wie z.B. bestimmte spektrale Variabilitätsmustern durch. In weltweit initiierten Multifrequenz-Kampagnen, welche simultane Messungen in einem möglichst weiten Frequenzbereich bereitstellen, sollen die entwickelten diagnostischen Methoden Anwendung finden, um letztendlich die Frage nach der Natur des Jetplasmas zu klären.

Anita Reimer wird für die nächsten zwei Jahre mit dem Lise-Meitner-Stipendium des NRW-Wissenschaftsministeriums bei ihrem Forschungsvorhaben unterstützt.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 28.09.2004 – DLO)

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