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Evolution

Urzeit-Algen beherrschten schon das Korbflechten

Mikrofossilien schufen Biomineral aus komplex verwobenen organischen Fasern und Kalk

Vergrößerte Ansicht der Schalenöffnung mit ihren korbähnlichen Wandstrukturen © Jens Wendler

Die Natur ist der beste Baumeister: Schon Millionen Jahre, bevor unsere Vorfahren das Korbflechten erfanden, hat die Natur dieses Konstruktionsprinzip verwirklicht. Winzige Algen, die vor 92 Millionen Jahre lebten, verwoben bereits organische Fasern auf diese Weise und verstärkten sie mit Kalk. Das haben Meeresforscher jetzt in fossilen Ablagerungen aus Tansania entdeckt. Wie sie im Fachmagazin “ Nature Communications“ berichten, könnte das urzeitliche Biomineral dieser Algen sogar als Vorbild für neue Materialien dienen.

Biominerale finden sich in der Natur überall dort, wo Schalen und Skelette gebaut werden. Sie bieten Schutz wie zum Beispiel in Muschelschalen oder geben Festigkeit wie in Knochen und Zähnen. Die Strukturen von Biomineralen haben manchmal Ähnlichkeit mit Architekturbauten von Menschenhand. Ein berühmtes Bespiel ist der Eiffelturm, dessen Stahlkonstruktion einem ähnlichen Prinzip folgt, wie das Nadelgerüst eines Kieselschwamms aus dem Meer. Die Wissenschaftler der Universität Bremen und dem University College London entdeckten nun auch bei einzelligen Organismen neuartige und unerwartet komplexe Bauarten von Biomineralen. Sie untersuchten mikroskopisch kleine Kalkschalen ausgestorbener Algen, die zu den Dinoflagellaten gehören.

Komplexe Struktur erstaunt selbst die Forscher

„Als ich die ersten Proben untersuchte, konnte ich kaum glauben, was dort unter dem Rasterelektronenmikroskop zum Vorschein kam“, erzählt Jens Wendler von der Universität Bremen. „Diese Schalen weisen ein ineinander verwobenes Geflecht auf, wie man es etwa von Körben kennt. Ähnliche Strukturen sind auch vom Zahnschmelz der Wirbeltiere bekannt.“ Bei den untersuchten Fossilien handelt es sich um Schutzhüllen, die von den Algen während ihrer Fortpflanzung genutzt werden. Diese Algen lebten und leben in den oberen Ozeanschichten. Ihre raffinierten Schalen bieten die optimale Balance zwischen Stabilität, Flexibilität und Gewicht, um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten, aber auch um die Zellen vor dem Absinken zu bewahren.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass komplexe Lösungen, um beständige, hoch funktionelle Materialien zu entwickeln, schon von eher einfachen Organismen genutzt wurden“, so der Bremer Geologe. „Auf philosophischer Ebene könnte man sagen, dass die Prinzipien des Korbflechtens bereits einzelligen Organismen vor Millionen von Jahren bekannt waren.“

Die Studie basiert auf Untersuchungen von Ablagerungen aus Tansania, die außergewöhnlich gut erhaltene Mikrofossilien enthalten. Sie sehen aus, als wären sie erst gestern auf den Meeresboden gesunken. Das Team hofft darauf, in Zukunft die organische Matrix dieser natürlichen Körbe isolieren zu können, die solch ausgeklügelte Biomineralstrukturen überhaupt ermöglicht. Außerdem wollen sie die fossilen Schalen nutzen, um die Umweltbedingungen im Ozean früherer Zeiten und die Klimageschichte zu rekonstruieren. „Und mit ihren cleveren Biomineralstrukturen können sie uns neue Ideen zur Materialentwicklung liefern“, so Wendler.

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(Universität Bremen, 21.06.2013 – NPO)

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