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Archäologie

Riesige Stadt um Angkor Wat entdeckt

Lidar-Vermessung enthüllt bisher verborgene Megacity der Khmer

Fotoansicht von Angkor Wat und, darunter, ein Teil der mittels Lidar entdeckten Stadtstrukturen © Evans et al. /PNAS

Der Tempelkomplex Angkor Wat in Kambodscha war einst Teil einer gewaltigen Megacity – einer Stadt, die sich vor knapp tausend Jahren über mindestens 370 Quadratkilometer erstreckte. Das hat ein internationales Forscherteam jetzt bei Vermessungen des von Regenwald überwucherten Gebiets mittels Laser entdeckt. Sie fanden Spuren einer gezielt geplanten städtischen Anlage, in der Straßen oder Kanäle ein regelmäßiges Gitternetz bildeten, die das Gebiet in einzelne Stadtviertel aufteilte. Dieses Ausmaß der urbanen Landschaftsgestaltung sei einzigartig für die präindustrielle Welt, konstatieren die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Dass es rund um die Tempelanlagen von Angkor Wat ursprünglich noch andere Bauwerke und Siedlungen gegeben haben muss, vermuten Archäologen bereits seit langem – nicht zuletzt, weil Inschriften und Bilder in vielen Tempeln darauf hindeuten. Doch die dichte Bewaldung des Gebiets verhinderte eine umfassende Erkundung. Zudem wurden die meisten normalen Gebäude der Khmer aus Holz, Lehm und Stroh errichtet – Materialien, die nicht lange erhalten bleiben. Deswegen blieb bisher auch ungeklärt, ob die Tempelanlagen isoliert standen, oder ob sie Teil eines großen städtischen Siedlungsgebiets waren.

Laserpulse blicken durch den Urwald

Um das zu klären, die Forscher um Damian Evans von der University of Sydney nun ein 370 Quadratkilometer großes Gebiet rund um Angkor Wat mittels Lidar (Light detection and ranging). Bei diesem Verfahren sendet ein Messinstrument Laserpulse aus und wertet das von Strukturen am Untergrund zurückgeworfene Licht. In Kambodscha führten die Wissenschaftler ihre Lidar-Messungen von Bord eines Hubschraubers aus durch.

Zentraler Bereich von Angkor Wat und die mittels Lidar enthüllten Strukturen © Evans et al. /PNAS

„Bisher sammelten sich die Funde langsam und schrittweise an. Was wir aber jetzt mit diesem Instrument haben, ist eher ein Knalleffekt – mit einem Mal haben wir plötzlich das Bild einer ganzen Stadt vor uns“, erklärt Evans. Die Auflösung war dabei so gut, dass sogar Gegenstände und Strukturen von lediglich ein paar Zentimetern Größe zu erkennen waren.

Was sich den Forschern zeigte, waren Spuren einer gezielt geplanten städtischen Anlage, die sich über eine unglaublich große Fläche erstreckte und die großen Tempel einschloss. Sie ist charakterisiert durch gitterartig angelegte Strukturen, entweder Kanäle oder Straßen, die das Gebiet in einzelne Stadtviertel oder Besiedlungsblöcke aufteilte. Jeder Block besaß zudem einen Teich, vermutlich als Wasserreservoir, und einen besiedelten Bereich, der heute als Erhebung zu erkennen ist. Der Höhepunkt der Urbanisierung war vermutlich im 13. Jahrhundert erreicht, so Evans und seine Kollegen.

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Sagenhafte Gründerstadt Mahendraparvata entdeckt

Besonders spannend war eine Entdeckung, die die Wissenschaftler nördlich des zentralen Angkors machten: Auf dem Phnom Kulen-Hügel enthüllten die Lidar-Daten eine zuvor unbekannte Stadtlandschaft, bei der es sich vermutlich um Mahendraparvata handelt – eine Stadt, die angeblich auf den Gründer des Khmer-Reiches zurückgeht und die über 300 Jahre älter ist als Angkor Wat. Zwar war ihre Existenz aus Bildern und Inschriften bekannt, ihre genaue Lage und Ausdehnung allerdings nicht, wie die Forscher berichten.

Die nach dem Lidar-Aufnahmen geziechnete Karte zeigt die Straßen, Bewässerungsteiche und die regelmäßige Anordnung der Gebäude. © Evans et al. /PNAS

Achillesferse Bewässerung

Die neuen Daten enthüllen auch, warum die Hochkultur der Khmer bis zum 16. Jahrhundert fast vollkommen verschwand und die Anlagen verlassen wurden: Um in dieser Riesenstadt zu überleben, benötigten die Menschen ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem: Nur durch ein gutes Wassermanagement gelang es, die unregelmäßigen Regenfälle in dieser Region auszugleichen und Trockenzeiten zu überdauern. Doch das wachsende Stadtgebiet machte immer größere Reservoirs und ausgeklügeltere Transportanlagen nötig, die entsprechend anfällig und irgendwann dann auch nur noch sehr schwer zu erhalten waren.

Gleichzeitig rodeten die Menschen immer mehr Wald und benötigten damit eine noch intensivere Bewässerung. Einige Jahrhunderte lang halfen notdürftig ausgeführte Reparaturen und Verbesserungen noch über kurzfristige Trockenzeiten hinweg. Als dann jedoch im 14. und 15. Jahrhundert mehrere, teilweise jahrzehntelange Trockenphasen das Gebiet heimsuchten, hatten die Ingenieure dem nichts mehr entgegenzusetzen – und der Niedergang der Angkor-Megacity begann. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013 in press)

(PNAS, 19.06.2013 – ILB/NPO)

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