Anzeige
Geowissen

Geografie prägt den Klang von Sprachen

Spezielle Kehlkopflaute haben sich fast nur in Gebirgen und Hochlagen entwickelt

Im Kaukasus existieren mehrere Sprachen, die Ejektiv-Laute verwenden, darunter auch Georgisch. © Gemeinfrei

Wie wir sprechen und welche Worte wir benutzen, spiegelt immer auch wieder, wo und wie wir leben. Jetzt aber zeigt sich: Die für unsere Sprache typischen Laute verraten sogar, ob unsere Vorfahren einst im Gebirge oder im Flachland lebten. Denn wie ein US-Forscher herausfand, nutzen fast alle Völker, die in Gebirgsregionen leben, sogenannte Ejektiv-Laute – Konsonanten, die mit einem speziellen Kehlkopf-Laut enden. Dieser klare Zusammenhang zwischen Geografie und Sprache zeige, dass die Umwelt die Struktur von Sprachen anders und stärker als gedacht präge, so der Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“.

Im Deutschen und bei der großen Mehrheit der anderen Sprachen entstehen Laute, indem Luft aus der Lunge durch die Stimmbänder strömt und von Rachenraum, Zunge und Lippen manipuliert wird. In einigen afrikanischen und indianischen Sprachen aber existieren auch Klicks und spezielle Kehlkopflaute. Bei den sogenannten Ejektiven hebt sich der Kehlkopf und presst die Luft im Rachenraum zusammen. Diese wird dann plötzlich durch den Mund ausgestoßen, die Bewegung des Kehlkopfes dabei erzeugt eine Art Gluckslaut. Dabei wird weder ein- noch ausgeatmet. Verbreitet sind diese Laute beispielsweise in vielen Indianersprachen des amerikanischen Westens, aber auch in Ost- und Südafrika und im Kaukasus.

„Bisher war unklar, was die Verteilung solcher Laute in den menschlichen Sprachen bestimmt, man hielt es für eher zufällig „, erklärt Caleb Everett von der University of Miami in Coral Gables. Er ist dieser Frage auf den Grund gegangen und hat dabei gezielt nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der Geografie und dem Auftreten von Ejektiven in Sprachen gesucht. Seine Vermutung: Es könnte sein, dass ein geringerer Luftdruck, wie er in höheren Lagen der Gebirge typisch ist, die Bildung solcher Ejektiv-Laute begünstigt. Denn dann wird weniger Kraft benötigt, um den Druckunterschied zwischen der Luft draußen und der Luft im Rachen zu erzeugen.

Häufung in Gebirgen und auf Hochplateaus

Für seine Studie analysierte der Forscher 567 Sprachen und prüfte, in welchem Gebiet und vor allem auf welcher Höhe die Menschen leben, die sie sprechen. Dabei stieß er auf einen auffallenden Zusammenhang: Weltweit konzentrieren sich die Sprachfamilien mit Ejektiven in acht Gebieten – und sie alle liegen in Regionen mit hohen Gebirgen oder Hochplateaus.

Karte der Sprachen mit (dunkle Punkte) und ohne Ejektiv-Laute: Die Häufung in Gebirgsregionen ist deutlich zu erkennen. © Caleb Everett / PloS ONE

Zwei der größten Cluster, bestehend aus indianischen Sprachfamilien, liegen in den Rocky Mountains und den angrenzenden Gebirgszügen. Ein dritter liegt auf dem Plateau von Colorado, ein vierter im mexikanischen Hochland. Drei weitere Cluster umfassen afrikanische Sprachen, sie konzentrieren sich im Hochland Südafrikas und in den Bergregionen entlang des ostafrikanischen Grabens. In Eurasien gibt es Ejektive in einigen Sprachen des Kaukasus, darunter auch im Georgischen.

Anzeige

Afrika: Viele Ejektiv-Sprachen auf wenige Höhen konzentriert

„Am erstaunlichsten ist die klare Übereinstimmung von Sprache und Lagen von mehr als 1.500 Metern Höhe auf dem afrikanischen Kontinent“, erklärt Everett. Denn dort machen solche Höhenlagen nur einen sehr kleinen Teil der Landmasse aus – und die Gebirge bilden zudem keine zusammenhängenden Höhenrücken, sondern sind eher Inseln im Flachland. Neben einigen Bergen und Vulkanregionen am ostafrikanischen Graben ist dies das südafrikanische Plateau und die Drakensberge im Südwesten.

Gerade in Afrika werde aber auch besonders deutlich, dass dieser Zusammenhang über einzelne Sprachfamilien hinausgehe, so der Forscher: Die in den drei dortigen Ejektiv-Clustern gesprochenen Sprachen gehören jeweils ganz verschiedenen Familien an. Das zeige, dass es die Höhe sein müsse, die die Entwicklung solcher Laute in einer Sprache fördere – und das weltweit. Einzige Ausnahme ist die Himalaya-Region: Keine der dortigen Sprachen nutzt Ejektive – warum ist unklar.

Kehlkopf-Laute sparen Luft und Wasser

Warum Menschen in großer Höhe eher Ejekta-Laute nutzen, ist noch unklar. Everett nennt aber gleich zwei mögliche Gründe: Zum einen ist die Erzeugung dieser Laute in dünner Luft leichter. Denn um die Luft so zusammenzupressen, dass die typische Kehlkopfbewegung erfolgt, benötigt man dort weniger Kraft, wie der Forscher erklärt.

Es gebe aber auch noch einen zweiten Vorteil: Da die Luft für diese Laute nicht direkt aus der Lunge kommt und der Kehlkopf geschlossen ist, verliert ein Mensch dabei weniger Luft und Wasserdampf als bei einem normalen, mit der Ausatmung verbundenen Laut. „Allein durch die Atmung verliert ein Mensch immerhin 300 bis 400 Milliliter Wasser pro Tag“, sagt Everett. In der trockenen Höhenluft sei die Gefahr einer Austrocknung des Körpers besonders hoch, da könne es sich daher lohnen, Wasserverluste auch über die Sprache zu minimieren.

Noch muss die genaue Triebkraft für die Entstehung solcher Ejektiv-Laute näher untersucht werden. „Aber die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass ökologische Faktoren die Struktur von Sprachen auf bisher nicht erkannte Weise geformt haben könnten“, sagt Everett. Der Beweis dafür sei der klare Zusammenhang zwischen Geografie und Sprache, die jetzt zutage trete. (PLoS ONE, 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0065275)

(Public Library of Science, 13.06.2013 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Sprachensterben - Schleichendes Verschwinden unseres kulturellen Gedächtnisses

News des Tages

Feldhase

Genom des "Osterhasen" entschlüsselt

Erstes Bild der Magnetfelder ums Schwarze Loch

Ägypten: Wandbilder aus der Totenstadt

Wie das Klima den antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflusst

Bücher zum Thema

Das lesende Gehirn - Wie der Mensch zum Lesen kam - und was es in unseren Köpfen bewirkt Von Maryanne Wolf

Atlas der Globalisierung - von Le Monde diplomatique (Herausgeber)

Bevölkerungs geographie - von Jürgen Bähr

Top-Clicks der Woche