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Geowissen

Hochwasser: Durchweichte Böden versagten als Puffer

Ausmaß des Hochwassers bereits jetzt größer als im August 2002

Reißende Wassermassen: vom aktuellen Hochwasser sind vor allem der Osten und der Süden Deutschlands betroffen - noch. Denn die Scheitelwellen bewegen sich nach Norden. © Gabi Zachmann/ KIT

Die starken Regenfälle der letzten Tage sind nicht allein schuld an dem Rekord-Hochwasser der deutschen Flüsse. Verschärft wurde die Situation durch den ohnehin schon durchweichten Boden nach dem anormal nassen und kalten Mai. Das zeigt eine Studie des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM). Demnach haben die Bodenfeuchterekorde im Mai das Juni-Hochwasser noch verstärkt. Es übertrifft in seinem Ausmaß, wenn auch nicht immer in seinen Pegeln, schon jetzt das Jahrhundert-Hochwasser vom August 2002.

Der Juni hat in diesem Jahr mit einer wahren Sintflut begonnen: Ein umfangreicher Tiefdruckkomplex brachte vom 27. Mai bis 3. Juni beständig feuchte Luft nach Mitteleuropa. Die Folge waren anhaltende und intensive Regenfälle in Deutschland, Tschechien, Österreich und der Schweiz – vor allem dort, wo Wolken sich an den Nordrändern der Mittelgebirge und der Alpen stauten. Als Folge traten Weder, Donau, Elbe, Main und Rhein und zahlreiche weitere Flüsse über die Ufer. In den Mittelgebirgen und den Alpen lösten Sturzfluten Überschwemmungen aus, viele Talsperren mussten Wasser ablassen.

Schlimmer als das Jahrhundert-Hochwasser im Jahr 2002

Ungewöhnlich sei, so die Wissenschaftler, dass so viele Flussgebiete gleichzeitig von sehr schwerem Hochwasser – mit Wiederkehrwahrscheinlichkeiten von über 50 Jahren – betroffen sind. „Aus hydrologischer Sicht übertrifft das Junihochwasser 2013 im Hinblick auf das Ausmaß der betroffenen Gebiete bereits jetzt das Augusthochwasser 2002 und ist unter den ‚modernen‘‚ Hochwasserereignissen wohl nur mit dem Ereignis vom Juli 1954 zu vergleichen“, sagt Kai Schröter vom GFZ. Mehr als 40 Prozent des deutschen Gewässernetzes sind zurzeit betroffen. Im Gegensatz zu den Überschwemmungen im Jahr 2002 sind diesmal klare Ereignisschwerpunkte nicht zu erkennen – nahezu alle Flüsse haben Pegelhochstand.

Diese Rekordpegel sind nicht allein mit dem Tiefdruckgebiet und den starken Regenfällen zu erklären, wie eine Studie des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) jetzt zeigt. Sie sind auch der Tatsache zu verdanken, dass der Boden in den meisten Regionen kein zusätzliches Wasser mehr aufnehmen konnte. Statt wie ein Schwamm oder Puffer einen Teil des Regens zu speichern, war der Untergrund schon vom nassen Mai gesättigt. Der größte Teil der Niederschläge floss dadurch direkt über Bäche und Kanäle in die Flüsse ab.

Bodenfeuchterekorde schon vor dem großen Regen

„Insbesondere die Kombination mit den äußerst ungünstigen Vorbedingungen – der Boden konnte die neuerlichen Niederschläge nach einem sehr feuchten Mai nicht mehr aufnehmen – führte zu diesem extremen Hochwasserereignis“, erläutert Bernhard Mühr vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ende Mai wiesen 40 Prozent der Landesfläche Deutschlands neue Bodenfeuchterekorde auf.

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Immerhin scheint das Hochwasser trotz der dramatischen Lage bisher glimpflicher abzulaufen als noch 2002 – noch: Bisher erreichen die Schäden noch nicht die des damaligen Augusthochwassers, wie die Forscher berichten. „Das liegt zum einen an Fortschritten im Hochwasserschutz, dem Ausbleiben von Deichbrüchen und der überwiegenden Betroffenheit von Gebieten mit hochwassererprobter Bevölkerung“, so Florian Elmer vom GFZ.

Scheitelwelle schwappt nach Norddeutschland

Im Gegensatz zu 2002 seien jetzt auch die Bewohner entlang der Elbe besser gewappnet. Auch die Regionen Süddeutschlands könnten aufgrund von Geländeformen, Siedlungsart und sozio-ökonomischer Struktur vergleichsweise gut mit Hochwasserauswirkungen umgehen. Allerdings: Vor allem Norddeutschlands Elbanrainern steht das Schlimmste noch bevor. Bereits jetzt wurden tausende evakuiert.

Die Forscher des CEDIM arbeiten weiter an diesem Thema und werden aktualisierte Versionen des Berichtes und umfassendere Analysen im Netz zur Verfügung stellen. Das CEDIM ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung im Bereich des Katastrophenmanagements und wird vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam betrieben.

(Karlsruher Institut für Technologie, 06.06.2013 – NPO)

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