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Medizin

Wer oben wohnt lebt länger

Bewohner höherer Stockwerke sterben seltener an Lungen- und Herzleiden als die der unteren

Hochhäuser: Wer oben wohnt, lebt länger © SXC

Das Penthouse auf dem Dach gilt vielen als die ultimative Krönung unter den Stadtwohnungen. Oben zu wohnen scheint neben Prestige aber auch handfeste Überlebensvorteile zu bringen: Denn eine Studie Schweizer Forscher hat ergeben, dass die Bewohner der oberen Stockwerke im Schnitt länger leben als ihre Nachbarn im Parterre. Woran das liegt ist unklar. Denkbar wäre aber, dass von vornherein die wohlhabenderen und damit auch medizinisch besser Versorgten oben einziehen, vermuten die Forscher im Fachmagazin „European Journal of Epidemiology“.

Ob man lieber bequem im Erdgeschoss oder ersten Stock wohnt oder aber lieber ganz oben unter dem Dach, ist Geschmackssache. Manchmal allerdings auch eine Frage des Portemonnaies, jedenfalls wenn es um luxussanierte Dachgeschosse geht, wie man sie beispielsweise in Großstädten oft findet. Wie sich das Leben – und vor allem das Sterben ansonsten noch zwischen oben und unten unterschiedet, das wollten Matthias Egger und Radoslaw Panczak vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern genauer wissen.

Für ihre Studie analysierten die Forscher Daten von 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz, die zum Zeitpunkt der Volkszählung im Jahr 2000 in einem Gebäude mit vier oder mehr Stockwerken wohnten. Bei diesen Menschen werteten sie aus, wer in welchem Stockwerk wohnte und wie sich ihre Gesundheit von 2001 bis 2008 entwickelte. Insgesamt starben 142.390 Teilnehmer während des Studienzeitraums. Woran, das schauten sich Egger und sein Kollege näher an.

Weniger Lungen oder Herzleiden bei „Oben-Wohnern“

Das Ergebnis: Menschen im untersten Stock haben ein deutlich höheres Risiko, an Herzkreislauf- oder Lungenerkrankungen zu sterben als ihre Nachbarn, die im vierten oder höheren Stock wohnen. Wer in einem mindestens vierstöckigen Haus in einem oberen Stockwerk wohnt, hat demnach nicht nur die bessere Aussicht, er kann diese auch länger genießen. Woran aber liegt das? Sowohl Lungen- als auch Herzkreislauf-Erkrankungen werden stark durch die Lebensweise wie beispielsweise Rauchen, Ernährung und Bewegung beeinflusst, das ist bekannt.

Egger vermutet, dass die gefundenen Unterschiede im Sterberisiko zumindest zum Teil damit erklärt werden können, dass die Bewohner der unteren Stockwerke einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben als die der höheren. So zeigte sich, dass die Miete pro Quadratmeter mit steigendem Stockwerk höher wird. Umgekehrt sinkt die durchschnittliche Anzahl der Personen pro Wohnfläche, je weiter man in einem Haus nach oben kommt. Das werten die Forscher als Indikator für ein höheres Einkommen und eine höhere Bildung und damit möglicherweise eine bessere medizinische Versorgung.

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Die Forscher schließen aber auch nicht aus, dass das Leben in einem höheren Stock schlicht mehr Bewegung bringt und damit die Gesundheit verbessert. „Wer regelmäßig die Treppen zu seiner Wohnung erklimmt, macht etwas für seine Gesundheit“ sagt Egger. Allerdings dürfte vor allem in die höheren Stockwerke doch meistens der Lift zum Einsatz kommen. Möglich wäre aber auch, dass Menschen mit einer Vorerkrankung bevorzugt weiter unten einziehen, weil sie beispielsweise den Aufstieg per Treppe nicht mehrt bewältigen. Dadurch wäre diese Gruppe von vornerherein in einem schlechteren Gesundheitszustand als ihre Nachbarn weiter oben.

Gelegenheit macht Selbstmord?

Allerdings hat das Leben in der Höhe offenbar auch seine Schattenseiten, wie die Studie ergab: Denn Bewohner in den höheren Stockwerken begingen deutlich häufiger Selbstmord, indem sie sich vom Balkon oder aus dem Fenster stürzten. Unklar ist allerdings, ob dies allein an der günstigen Gelegenheit liegt und sich Kellerkinder einfach mit anderen Methoden umbringen.

Aus den Daten geht hervor, dass selektiv nur die Selbstmorde durch Sprung bei höheren Stockwerken häufiger sind, nicht die der Selbstmorde allgemein, insofern spricht dies für diese These. „Die Frage ist interessant für die Diskussion, ob die Verfügbarkeit einer Methode einen Einfluss auf die Suizidrate hat“, sagt Egger. (European Journal of Epidemiology, 2013, doi: 10.1007/s10654-013-9809-8)

(Universität Bern, 15.05.2013 – NPO)

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