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Evolution

Älteste Gehörknochen eines Vormenschen entdeckt

1,8 Millionen Jahre alter Fund bietet Einblick in das Gehör unserer Urahnen

Hammer (Malleus) des Paranthropus robustus (oben) und des Australopithecus africanus © Quam et al. /PNAS

Die drei Gehörknöchelchen sind eine echte Rarität unter den Überrresten unserer Vorfahren. Denn die winzigen Knochen überdauern nur selten im Erdreich. Jetzt hat ein internationales Forscherteam diese Ausnahmefossilien entdeckt: Aus dem Skelett eines rund 1,8 Millionen Jahre alten Paranthropus robustus isolierten sie den bisher ältesten vollständigen Satz von Gehörknochen. Er erweist sich als Mischung aus menschen- und affenähnlichen Teilen, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten. Einer der Knochen, der Hammer, könnte sogar das älteste fossile Zeugnis eines menschlichen Merkmals überhaupt sein.

Ohne Hammer, Amboss und Steigbügel wären wir stockstaub. Denn erst diese drei miteinander verbundenen Knochen sorgen dafür, dass der Schall vom Trommelfell bis ans Innenohr geleitet wird. Ihre bei Mensch, Menschenaffen und anderen Säugetieren jeweils leicht unterschiedliche Form und Ausprägung verrät daher viel darüber, wie die jeweilige Art hört. Wie sich diese Knochen zudem nach der Geburt kaum mehr verändern, eignen sie sich sehr gut dazu, stammesgeschichtliche Veränderungen zu untersuchen. „Über die Gehörknöchelchen unserer frühen Vorfahren ist aber bisher kaum etwas bekannt, weil sie so extrem selten sind“, erklären Rolf Quam vom American Museum of Natural History in New York und seine Kollegen. Einen vollständigen Satz dieser Knochen habe man zuvor nur bei zwei Neandertaler-Skeletten geborgen.

Zwei Funde mit Seltenheitswert

Jetzt aber haben die Forscher gleich mehrere außergewöhnlich gut erhaltene Gehörknochen von sehr frühen Vorfahren des Menschen entdeckt. Einen kompletten Satz aus Hammer, Amboss und Steigbügel fanden sie im Schädel eines in Swartkrans in Südafrika ausgegrabenen Exemplars von Paranthropus robustus. Dieser sehr kräftig gebaute Vormensch lebte vor rund 1,8 Millionen Jahren und gilt als Seitenzweig unserer Stammeslinie.

Einen Hammer und Steigbügel bargen die Wissenschaftler zudem aus dem Schädel eines Australopithecus africanus. Ob diese vor rund zwei Millionen Jahren lebende Vormenschenart ein direkter Vorfahre des modernen Menschen ist oder auch ein Seitenzweig, ist bisher unklar. Der Fund der Gehörknöchelchen erlaubt nun erstmals einen direkten Vergleich ihrer Ohranatomie mit der des modernen Menschen und miteinander, wie Quam und seine Kollegen erklären.

Menschlicher Hammer, äffischer Rest

Die Vermessungen und Analysen der neuentdeckten Knochen ergaben, dass der Hammer beider Vormenschenarten bereits sehr menschenähnlich war. „Beim Menschen ist der Hammerstiel (das Manubrium) kürzer und dicker als bei den Menschenaffen“, berichten die Forscher. Genau dies sehe man auch bei Paranthropus robustus> und Australopithecus africanus>. Auch der Winkel zwischen Hammerkopf und Stiel sei eindeutig menschenähnlich.

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Dass beide Vormenschenarten bereits dieses Merkmal besaßen, deutet nach Ansicht der Paläontologen drauf hin, dass sie es von ihrem letzten gemeinsamen Vorfahren geerbt haben müssen. Eindeutig nicht-menschlich sind dagegen der Amboss des Paranthropus und die Steigbügel beider Vormenschen: Sie ähneln in ihrer Form am stärksten denen Gehörknochen der heutigen Schimpansen.

Mögliche Stammesgeschichte des Menschen © gemeinfrei

Hörvermögen zwischen Affen und Mensch

Die einzigartige Kombination von menschenähnlichem Hammer und affenähnlichem Amboss lässt auch Rückschlüsse über das Gehör dieser Vormenschen zu, wie Quam und seine Kollegen berichten. Denn bei den meisten Primaten sorgt ein eher kurzer Amboss dafür, dass sie im Bereich der mittleren Frequenzen etwas schlechter hören. Diese Delle im Hörvermögen fehlt beim Menschen, weil sein Amboss anders geformt ist. „Dies ist einer der auffallendsten Unterschiede des menschlichen Gehörs zu dem der restlichen Primaten“, so die Forscher.

Wie sich jetzt zeige, liege der Paranthropus robustus mit seiner Ohranatomie genau zwischen Menschenaffen und Mensch. Das könnte darauf hindeuten, dass auch seine akustische Wahrnehmung schon dabei war, sich in Richtung Mensch zu entwickeln. Der Fund der vollständigen Gehörknöchelchen eröffnet nun erstmals die Möglichkeit zu rekonstruieren, wie unser ferner Vorfahre tatsächlich hörte. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013; doi: 10.1073/pnas.1303375110)

(National Academy of Sciences, 14.05.2013 – NPO)

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