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Klima

Klima: Trotz Kapriolen keine Entwarnung

DWD-Bilanz: 2012 war zwar kein Rekordjahr, aber noch immer deutlich zu warm

Temperaturabweichungen vom Mittel weltweit im Winter 2012/2013 © DWD

Auch der späte, kalte Winter dieses Jahres bringt keine Entwarnung: der Klimawandel geht weiter. Das ist die Kernaussage der jährlichen Klima-Pressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Berlin. Zwar überlagern zurzeit kurzfristige Klimaschwankungen die Erwärmung, so dass diese nahezu stagniert. Dennoch lagen die Temperaturen auch 2012 wieder deutlich über dem langjährigen Mittel. Längerfristig wird es daher trotzdem weiterhin wärmer – spürbar wird dies künftig vor allem an heißen Sommernächten und einer stärkeren und längeren Pollenbelastung für Allergiker, so die Experten.

Dürre im Mittleren Westen der USA, ein Rekordminimum bei der arktischen Meereisbedeckung im Spätsommer und Hurrikan Sandy mit der in New York seit 100 Jahren höchsten Sturmflut. Im Jahr 2012 häuften sich die extremen Wetterereignisse. Und das ging auch 2013 so weiter: In der ersten Januarhälfte herrschte in Teilen Australiens eine Rekordhitze, kurz darauf folgten an der dortigen Ostküste tagelanger Starkregen mit Überschwemmungen. Bei uns in Europa fiel währenddessen der Frühling nahezu komplett aus, statt Osterglocken gab es an Ostern vielerorts Schneemänner.

Natürliche Einflüsse überlagern den Klimawandel – stoppen ihn aber nicht

Doch trotz dieses Auf und Ab bleibt ein Trend stabil: die Klimaerwärmung. Denn selbst vorübergehende Kälteeinbrüche oder einige Jahre ohne Rekorde sind nach Angaben des DWD kein Grund zur Entwarnung. Denn die Klimaveränderung müsse langfristig betrachtet werden. Man könne nicht erwarten, dass der Temperaturanstieg ebenso glatt und gleichmäßig verlaufe wie die Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Denn das Klima unterliegt vielen miteinander wechselwirkenden Einflüssen. Dazu gehören neben der Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüchen auch periodische Klimaschwankungen wie El Nino und La Nina.

„Alle diese Effekte überlagern, maskieren gewissermaßen den vom Menschen verursachten Klimawandel – an dem kein Zweifel besteht“, erklärt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD. „Heute lässt sich deshalb noch nicht abschließend sagen, welche Einflüsse für unser Klima aktuell bestimmend sind. Aber wir sind überzeugt: Auf lange Sicht wird der menschliche Einfluss den stärksten Effekt haben und es somit zu einem weiteren Temperaturanstieg kommen.“ Die Konsequenz sein klar: Bereits heute müsse gehandelt werden.

Die Globaltemperatur wird langfristig steigen - trotz momentaner Verlangsmaung © DWD

2012: Kein Rekordjahr aber dennoch zu warm

„Die Erdmitteltemperatur stagniert seit etwa 15 Jahren auf hohem Niveau. Trotzdem müssen wir die Geschichte des Klimawandels deshalb nicht neu schreiben“ betont Becker. Wie er erklärt, brachten die Jahre 2011 und 2012 zwar weltweit keine neuen Temperaturrekorde – sie gehörten aber mit einem Plus der Jahresmitteltemperatur von knapp 0,5 Grad im Vergleich zur Referenzperiode 1961-1990 trotzdem zu den zwölf wärmsten Jahren seit 1880.

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Auch in Deutschland lag die Mitteltemperatur im Jahr 2012 mit 9,1 Grad Celsius (°C) erneut deutlich über dem vieljährigen Mittel von 8,2 °C. Das Jahr 2012 war damit kein Rekordjahr, aber das 16. wärmste seit 1881. Nach Auswertungen des DWD waren 24 der vergangenen 30 Jahre in Deutschland zu warm. In diese drei Jahrzehnte fielen zugleich neun der zehn wärmsten Jahre der inzwischen 132jährigen Zeitreihe des nationalen Wetterdienstes.

Ein Drittel der Sommernächte über 25°C

Schon heute ist laut DWD-Experten absehbar, dass die wachsende Wärmebelastung insbesondere bei älteren Menschen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen wird. Die alleinige Betrachtung von Klimafolgen reiche aber oft nicht aus. Es müsste auch der künftige gesellschaftliche Wandel berücksichtigt werden. So führe zum Beispiel das Zusammenspiel von Klimawandel und demographischer Entwicklung zur Verschärfung der Hitzeproblematik.

Die Temperaturzunahme werde aber nicht nur auf den Außenbereich beschränkt bleiben, sondern auch Innenräume betreffen. Die Klimaforscher haben für den Oberrheingraben ermittelt, dass dort heute in einem durchschnittlichen Jahr von Mai bis September knapp 15 Prozent der mittleren nächtlichen Innenraumtemperaturen über 25°C liegen. Mitte des Jahrhunderts werden es schon 35 Prozent sein. Der DWD hat deshalb sein Hitzewarnsystem um die Vorhersage der nächtlichen Innenraumtemperaturen erweitert. Becker: „Wir werden diese neuen Hitzewarnungen erstmals in diesem Sommer herausgeben. Sie können unter www.dwd.de/newsletter kostenlos abonniert werden.“

Veränderung der Blühphase von Gräsern bis 2100 © DWD

Mehr Probleme für Allergiker

Eine sich ändernde Bevölkerungsstruktur und die höhere Lebenserwartung ließen auch erwarten, dass Allergien im höheren Lebensalter zunehmend eine Belastung darstellen. Schon heute leiden zwischen 10 und 15 Prozent der Bevölkerung unter Pollenallergien. Mit dem Klimawandel werden zunehmend auch Pflanzen in Deutschland heimisch, die man hier bisher nicht kannte und die für die hiesigen Allergiker unangenehm werden können. Die Ambrosia ist das bekannteste Beispiel. Um die künftige Pollenbelastung zu kennen, muss man aber nicht nur wissen, was fliegt, sondern auch wann – und wie sich die Allergie-Stoßzeiten durch den Klimawandel verändern. Der DWD hat dies zunächst bei Birke und Gräser untersucht. Diese gehören zu den Hauptauslösern von Heuschnupfen, Asthma und Co.

Das Ergebnis zeigt, dass sich die Birkenblüte bis zum Ende des Jahrhunderts um 13 Tage nach vorne verschieben wird. Gräser werden rund acht Tage früher blühen. Zusätzlich aber könnte sich die Pollen-Flugperiode zumindest bei der Birke auch nach hinten verlängern. „Die schlechte Botschaft für Allergiker ist: Sie werden mit neuen Pollenarten kämpfen und mit einer insgesamt verlängerten Pollensaison leben müssen“, so Becker.

Bereits diese wenigen genannten Aspekte zeigen nach Einschätzung des DWD gerade in der Zusammenschau, welche Brisanz die erwarteten Veränderungen für die Menschen in unserem Land haben können. Die Forschung müsse deshalb verstärkt das Zusammen- oder Entgegenwirken der Folgen des Klimawandels und der Prozesse des sozialen Wandels betrachten. Becker: „Solche interdisziplinären Ansätze müssen jetzt angepackt werden. Allerdings ist die Wissenschaft dabei auf politischen Rückenwind angewiesen.“

(Deutscher Wetterdienst (DWD), 08.05.2013 – NPO)

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