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Umwelt

„Gegengift“ für Müll-Dioxine

Schwefelbeigabe verringert Schadstoff-Emissionen bei der Abfallverbrennung

Müllverbrennungsanlage © BMU, H.-G.Oed

Für die giftigen Dioxine, die bei der Müllverbrennung entstehen, haben Chemiker ein wirksames Gegenmittel gefunden: Werden bei der Abfallverbrennung Schwefelverbindungen untergemischt, verringern sich die Dioxin-Emissionen um bis zu 99 Prozent.

Das neue Verfahren, mit dessen Hilfe sich die Bildung von Dioxinen im Abgas von Verbrennungsanlagen erheblich reduzieren lässt, hat die Wissenschaftler des Forschungszentrums für Ökologische Chemie selbst überrascht, weil es so simple ist: Durch die Beigabe unproblematischer Schwefelverbindungen erreichten sie im Labor eine Dioxinminderung bei der Verbrennung des Materials von bis zu 99 Prozent. Da auch der ganz normale Hausabfall erhebliche Mengen an Schwefelverbindungen enthalten kann, eröffnet dieses Verfahren völlig neue Perspektiven im Sinne einer Kreislaufwirtschaft für Müllverbrennung aber auch für andere Verbrennungsanlagen wie etwa Kohlekraftwerke. Das beim Europäischen Patentamt angemeldete Patent wurde nun für Deutschland erteilt.

Altes Problem gelöst

Dass bei der Verbrennung von Abfällen im Abgas Dioxine entstehen können, ist altbekannt, stellt aber die Rauchgasreinigungstechnik der Müllverbrennungsanlagen immer noch vor große Probleme. Die Reduktion der Dioxine durch Zugabe bestimmter Abfälle aber ist neu. Im Labor stellten die Chemiker Dieter Lenoir und Karl-Werner Schramm zunächst eine repräsentative Mischung an Hausmüll zusammen. Bei deren Verbrennung entstanden übliche Dioxinmengen in Höhe von durchschnittlich 52 Pikogramm pro Gramm Brennstoff, ein Pikogramm sind etwa zehn bis zwölf Gramm. In einem zweiten Schritt mischten die Wissenschaftler dem Hausmüll nacheinander verschiedene schwefelhaltige Verbindungen in unterschiedlich hohen Gewichtsanteilen von ein bis zehn Prozent bei. Das Ergebnis war überrschend: „Bereits mit einer Zugabe von nur fünf Gewichtsprozenten Amidosulfonsäure reduzierte sich die Dioxinbildung um 97 Prozent“, so Lenoir. Natürlich handelt es sich bei diesen so genannten Inhibitoren allesamt um für die Umwelt ungefährliche Verbindungen, die bei der Verbrennung rückstandsfrei eliminiert werden.

Müll entschärft Müll

Genau die schwefel- und stickstoffhaltigen Verbindungen, die in den Labors des Forschungszentrums zum Einsatz kamen, finden sich aber auch „natürlicherweise“ in beinahe jeder Hausmüllmischung. Aber sie könnten auch in Form von Gipsabfällen, Autoreifen, Abraummaterial, oder sogar bestimmten pharmazeutischen Abfällen dem normalen Verbrennungsmaterial zugesetzt werden. Damit ließe sich zweierlei erreichen: Zum einen wären sowohl die Dioxinbildung im Abgas als auch der damit verbundene hohe Aufwand für die anschließende Rauchgasreinigung drastisch reduziert. Und zum anderen könnten Abfälle selbst quasi als Wertstoffe für eine umweltfreundliche Entsorgung zum intelligenten Einsatz kommen.

Ziel: Geschlossener Müllkreislauf

„Eine solch intelligente Möglichkeit, Abfälle zu nutzen, eröffnet der Industrie ungeahnte Perspektiven für die Abfallentsorgung und zugleich für die Umsetzung der Luftreinhalterichtlinien“, prophezeit Karl-Werner Schramm. „Unser Ansatz könnte aber nicht nur für Müllverbrennungsanlagen sondern auch für Kohlekraftwerke und andere Verbrennungsanlagen von großem Nutzen sein“ ergänzt er. Deren Betreiber erhalten bislang oft Ausnahmegenehmigungen für das Mitverbrennen kleinerer Müllmengen, für die keine extra Rauchgasreinigung erforderlich ist. Die Höhe der dadurch anfallenden Dioxinemissionen ist unbekannt, eine Reduzierung wäre sicher vonnöten.

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Mit dem Patent für das neue Verfahren ist ein erster wichtiger Schritt getan. „Aber wir stehen mit unseren Untersuchungen eigentlich erst am Anfang“, so Karl-Werner Schramm. Er will die Technologie ausbauen und für die Industrie nutzbar machen. Dafür sucht er nun nach einem Industriepartner, der seine Anlage für weitere Tests zur Verfügung stellt. Auf der anderen Seite müssten aber die bestehenden Abfallströme nun auch detailliert auf ihre Gehalte an geeigneten Inhibitoren untersucht werden. Nur so könnte der Traum von Dieter Lenoir bald Wirklichkeit werden: Ein geschlossener Abfallkreislauf ohne Restprodukte.

(idw – GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, 23.09.2004 – ESC)

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