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Neurobiologie

Fünfjährige haben schon einen Sinn für gerechte Verteilung

Vorschulkinder fordern "reiche" andere Kinder zum Teilen auf, Kindergartenkinder noch nicht

Junge und Mädchen © SXC

Schon Fünfjährige haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit: Hat ein Kind nichts, ein anderes dagegen viel, fordern sie letzteres auf, zu teilen. Anders bei Dreijährigen: Sie teilen zwar bereits selbst mit anderen, ihr Sinn für Fairness und Verteilungsgerechtigkeit ist aber noch nicht so weit entwickelt, dass er auch Dritte mit einbezieht. Das berichten Münchener Forscher jetzt im Fachmagazin „Journal of Experimental Child Psychology“. Ihre Studie klärt damit das Timing eines wichtigen Entwicklungsschritts von Kindern.

Das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit ist in uns Menschen tief verankert. Instinktiv empfinden wir es als unfair, wenn einer alles bekommt und andere nichts. Aber ab wann entwickelt sich dieses Bewusstsein für Fairness beim Teilen? Genau diese Frage wollten der Psychologie Markus Paulus von der Ludwigs-Maximilians-Universität München und seine Kollegen klären.

„Du musst auch was abgeben!“

Für ihr Experiment versetzten die Forscher dreieinhalb- und fünfjährige Kinder in eine Dreipersonen-Situation, in der Spielzeug ungleich verteilt wurde. Das Kind erhielt etwas Spielzeug, während ein Mitspieler sehr viel und der andere gar nichts erhielt. Der arme Mitspieler bat nun das Kind darum, ihm etwas von seinen Spielsachen abzugeben. Die Kinder reagierten je nach Alter unterschiedlich. Dreijährige Kinder gaben etwas ab, ohne auf den dritten reichen Mitspieler zu achten. Die Fünfjährigen dagegen teilten nicht nur selbst, sondern forderten auch den reichen Dritten auf, der mehr besaß als sie selbst, dem armen Mitspieler etwas abzugeben.

Die Fünfjährigen hatten dabei offensichtlich bereits eine Vorstellung von Normativität und Verpflichtung und drückten diese auch sprachlich aus. „Der Andere hat doch viel mehr“, sagten die Kinder im Experiment zum Beispiel. Dass sie dabei unter Fairness-Gesichtspunkten handelten, zeigte ein weiteres Dreipersonen-Experiment. Dabei erhielt das Kind selbst am meisten Spielzeug, ein anderer weniger und ein dritter gar nichts. Die Fünfjährigen gaben dann freiwillig mehr von ihrem Reichtum ab, ohne auf den Dritten zu verweisen. Sie hatten verstanden, dass in dieser Situation sie der Reichste waren und damit am meisten abgeben mussten.

Von der Zweier-Welt zum sozialen Bewusstsein

Paulus erkennt darin einen entscheidenden Entwicklungsschritt in prosozialem Verhalten. Einen Dritten in seine Überlegungen einzubeziehen und zugleich zu berücksichtigen, welche Interessen die beiden anderen und welche Beziehung sie untereinander haben, erfordert komplexe kognitive Fähigkeiten. Dreijährige denken und handeln noch in einer „Zweier-Welt“, als sei der Dritte nicht da. Fünfjährige dagegen erfassen bereits den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit. Eine faire Verteilung ist ihnen dabei so wichtig, dass sie sogar einen Dritten in ihr Handeln einbeziehen.

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„Unsere Studie belegt erstmals, dass Vorschulkinder nicht nur eine dritte Person berücksichtigen, wenn es darum geht, mit einem anderen zu teilen. Sie achten dabei auch auf eine gerechte Verteilung. Der Fairness-Gedanke entwickelt sich bereits in diesem Alter sehr stark“, sagt Paulus.

„Vorschulkinder folgen damit einem gesellschaftlich anerkannten Prinzip von Gerechtigkeit: Der Reichste hat die größte Verantwortung, etwas von seinem Besitz abzugeben.“ Weitere Untersuchungen könnten nun zum Beispiel zeigen, unter welchen Bedingungen sich das Teilungsverhalten der Kinder ändert. (Journal of Experimental Child Psychology, 2013;

http://dx.doi.org/10.1016/j.jecp.2012.12.014″ target=“_Blank“> doi: 10.1016/j.jecp.2012.12.014)

(Ludwig-Maximilians-Universität München, 23.04.2013 – NPO)

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