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Technik

Lithiumionen-Akkus haben doch einen Memory-Effekt

Vor allem bei Elektroautos könnten sich unvollständige Ladezyklen auswirken

Elektroauto mit Lithiumionen-Akkus © gemeinfrei

Sie stecken im Notebook, Handy und vielen anderen Elektronikgeräten: Lithiumionen-Akkus eilt der gute Ruf voraus, keinen Memory-Effekt aufzuweisen: Selbst wenn man sie oft nur unvollständig entlädt und ständig wieder neu auflädt, soll ihre Leistung hoch bleiben. Jetzt aber zeigt sich: Bei einem vor allem bei Elektroautos weit verbreiteten Typ der Lithiumionen-Batterie gibt es doch einen Memory-Effekt, wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature Materials“ berichtet.

Viele unserer Alltagsgeräte, die ihre Energie aus einer Batterie beziehen, scheinen mit einer Art Gedächtnis ausgestattet – hzu unserem Nachteil: Wird zum Beispiel der batteriebetriebene Rasierer oder die elektrische Zahnbürste immer wieder aufgeladen, bevor die Batterie leer läuft, kann sich die Vorsicht des Nutzers nachträglich rächen. Die Batterie scheint sich zu merken, dass ihr immer nur ein Teil ihrer Speicherkapazität entnommen wird und liefert irgendwann nicht mehr ihr volles Potenzial. Fachleute sprechen dann von einem „Memory-Effekt“, der zustande kommt, weil die Arbeitsspannung der Batterie durch die unvollständigen Lade-/Entladezyklen mit der Zeit sinkt. Obwohl die Batterie noch Ladung hat, ist die Spannung, die sie liefert, irgendwann zu niedrig, um das fragliche Gerät anzutreiben.

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Seit Langem bekannt ist der Memory-Effekt bei Nickel-Cadmium- und Nickel-Metallhydrid-Batterien. Bei den seit Anfang der 1990er-Jahren erfolgreich vermarkteten Lithiumionen-Batterien hatte man jedoch bisher die Existenz eines solchen Effekts ausgeschlossen: „Uns ist keine Studie bekannt, bei der man gezielt einen Memory-Effekt bei Lithiumionen-Batterien gesucht hätte. Man hat bisher einfach angenommen, dass kein solcher Effekt auftritt“ erklärt Mitautor Petr Novák vom Paul Scherrer Institut PSI. Zu Unrecht, wie die neue Arbeit nun zeigt. Festgestellt haben die Forscher des PSI und ihre Kollegen vom Toyota-Forschungslabor in Japan den Memory-Effekt nun an einem der meistverbreiteten Materialien für die positive Elektrode von Lithiumionen-Batterien: Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4).

Gestrandet vor der Potenzialbarriere

Die Ursache für den Memory-Effekt orten die Wissenschaftler in der Art und Weise, wie das Laden und Entladen der Batterien auf der mikroskopischen Ebene vor sich geht. Das Elektrodenmaterial – in diesem Fall Lithium-Eisenphosphat(LiFePO4) – besteht aus zahlreichen mikrometerkleinen Partikeln, die eins nach dem anderen beim Laden Lithiumionen abgeben. Das Entladen wiederum besteht in der Wiederansammlung von Lithium-Atomen in den Elektrodenpartikeln, so dass aus Eisenphosphat wieder Lithium-Eisenphosphat wird. Diese Änderungen des Lithium-Anteils beeinflussen das chemische Potenzial und damit die elektrische Spannung der Batterie. Allerdings sind Laden und Entladen keine linearen Prozesse. Erreichen die Partikel einen kritischen Wert des Lithium-Anteils findet ein abrupter Übergang statt: Sie geben ihre verbleibenden Lithiumionen sehr rasch ab, ohne dass sich dabei ihr chemisches Potenzial verändert.

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Wenn jedoch die Batterie nicht vollständig geladen wird, bleiben Lithium-reiche Teilchen übrig, die es nicht über die Barriere geschafft haben. Ihr chemisches Potenzial sinkt anschließend noch weiter ab. Beim nächsten Ladevorgang wird nun zuerst die erste Gruppe (Lithium-ärmere Partikel) über die Barriere gebracht, während die zweite Gruppe (Lithium-reich) quasi hinterherhinkt. Genau das verursacht die den Memory-Effekt kennzeichnende Überspannung. Sie entspricht der zusätzlichen Arbeit, die geleistet werden muss, um diejenigen Partikeln über die Potanzialbarriere zu befördern, die nach einer unvollständigen Ladung zurückgeblieben waren.

Elektroautos besonders betroffen

Bemerkbar macht sich dieser Memory-Effekt der Lithiumionen-Batterien vor allem im Bereich der Elektromobilität. Insbesondere bei Hybridautos, bei deren normalem Betrieb sehr viele Zyklen partieller Ladung/Entladung stattfinden, könnte zukünftig dieser Effekt auftreten. In diesen Fahrzeugen wird die Batterie bei jedem Bremsvorgang durch den zum Generator verwandelten Motor aufgeladen. Entladen wird sie auch meist nur partiell, etwa um den Verbrennungsmotor in Beschleunigungsphasen zu unterstützen. Die vielen aufeinanderfolgenden Zyklen unvollständiger Ladung und Entladung können die Aufsummierung der einzelnen kleinen Memory-Effekte zur Folge haben, wie die neue Arbeit zeigt. Wird der Ladezustand der Batterie anhand des aktuellen Wertes der Spannung berechnet, könnte dieser dadurch falsch angezeigt werden. Die Folge: Wir bleiben liegen, obwohl wir vermeintlich noch genügend Strom haben.

Abwarten hilft

Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Forscher fanden heraus, dass eine genügend lange Wartezeit den Memory-Effekt auslöschen kann. Dies geschieht aber nur unter bestimmten Bedingungen. So verschwand der Memory-Effekt, wenn man nach einem Zyklus bestehend aus partieller Ladung und anschließender vollständiger Entladung lange genug wartete. Bestehen blieb ist der Memory-Effekt hingegen dann, wenn man nur vor der vollständigen Entladung beliebig lange wartete.

Für die voranschreitende Anwendung von Lithiumionen-Batterien in Fahrzeugen ist mit der jüngsten Entdeckung jedoch nicht das letzte Wort gesprochen. Es sei nämlich durchaus möglich, dass der Effekt durch kluge Anpassungen der Software im Batterie-Managementsystem rechtzeitig festgestellt und berücksichtigt werden wird, betont Novák. Sollte das gelingen, stünde der Memory-Effekt dem sicheren Einsatz von Lithiumionen-Batterien in Elektroautos nicht im Wege. Nun seien also die Ingenieure gefordert, den richtigen Umgang mit dem eigentümlichen Gedächtnis der Batterie zu finden. (Nature Materials, 2013; doi: 10.1038/NMAT3623)

(Paul Scherrer Institut (PSI), 15.04.2013 – NPO)

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