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Informatik

Facebook: „Likes“ verraten mehr als wir denken

Algorithmus rekonstruiert persönliche Informationen anhand von "Gefällt mir"-Klicks

Haben Sie heute schon ein „Like“ vergeben? Oder nachgeschaut, wer ein solches „Gefällt mir“-Signal auf ihrer Facebook-Seite hinterlassen hat? Längst gehört diese Form des Feedbacks in sozialen Netzwerken ganz selbstverständlich dazu. Britische Forscher haben jedoch jetzt demonstriert, dass die von uns verteilten Lob-Klicks viel mehr über uns verraten, als es den meisten von uns lieb sein dürfte. Sie rekonstruierten aus diesen, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, Religion und sexuelle Orientierung sie haben und auch welche Partei sie wählen. Das Erschreckende daran: Das klappt auch dann bestens, wenn man scheinbar völlig nichtsagende „Likes“ beispielsweise für Musikgruppen oder Fernsehsendungen auswertet.

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„Viele Menschen wollen bestimmte Informationen über ihr Leben nicht preisgeben, wie beispielsweise ihre sexuelle Orientierung oder ihr Alter“, sagen Michal Kosinski von der University of Cambridge und seine Kollegen. Sie füllen daher entsprechende Profilfelder bei sozialen Netzwerken nicht aus und achten akribisch darauf, dass diese Daten nicht irgendwo im Internet einsehbar sind. Doch diese Bemühungen könnten umsonst sein. Denn alles was wir im Netz tun und anschauen, hinterlässt eine digitale Spur – und das selbst dort, wo wir es nicht erwarten. Schon vor einiger Zeit hatte eine Studie nachgewiesen, dass sich beispielsweise allein aus Struktur und Größe des Freundesnetzwerks bei Facebook auf Alter, Geschlecht, Arbeit, Bildung und sogar die Persönlichkeit des Nutzers schließen lässt.

Algorithmus lernt typische Vorlieben

Kosinski und seine Kollegen gehen nun noch einen Schritt weiter. Sie wollten wissen, ob selbst ein paar im Netz verteilte „Likes“ schon ausreichen, um Grundlegendes über den Nutzer zu verraten – und dies auch dann, wenn es sich nicht gerade um so Eindeutiges wie eine „Gefällt mir“-Bekundung auf der Website einer Partei oder dem örtlichen Homosexuellenverband handelt. Für ihre Studie glichen die Forscher zunächst die „Likes“ von 58.466 US-amerikanischen Facebook-Nutzern mit Hilfe eines speziellen statistischen Verfahrens mit den Daten aus deren Profil ab. Damit wollten sie ermittelten, welche Websites beispielsweise besonders häufig von hoch gebildeten Nutzern positiv bewertet wurden. Aus diesem Abgleich entwickelten sie dann einen Algorithmus, der auch ohne Kenntnis des Profils oder anderer persönlicher Daten eine „Gefällt mir“-Bekundung bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zuordnen konnte.

Und tatsächlich: Der Auswerte-Algorithmus funktionierte so gut, dass er beim Geschlecht in 93 Prozent der Fälle richtig lag, bei der Religion – Christ oder Moslem – und der Parteizughörigkeit – Demokrat oder Republikaner – in 82 Prozent. Auch ob jemand homosexuell, weiß oder schwarz, single oder gebunden ist, konnten die Forscher anhand der „Like“-Daten in weit mehr als der Hälfte der Fälle richtig ermittelten. „Und das, obwohl nur wenige der Nutzer Likes verteilten, die explizit diese Merkmale verrieten“, erklären die Forscher. So sei zwar ein Klick auf der Seite des Fachmagazins „Science“ natürlich typisch für jemandem mit hohem Bildungsgrad, genauso gut ließ sich diese Nutzergruppe aus unerfindlichen Gründen aber auch an einem Klick auf eine Seite identifizieren, die sich mit „Curly Fries“ – einer gekrümmte Pommes Frittes-Variante – beschäftigte.

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Selbst Scheidung der Eltern verrät sich im Netz

Selbst erstaunt waren die Wissenschaftler über das Ergebnis bei einem Merkmal, das sie eher als Kontrolle hineingenommen hatten: die Frage, ob die Eltern eines Nutzers bei seinem 21. Lebensjahr noch zusammen waren oder geschieden. „Obwohl man weiß, dass eine Scheidung der Eltern langfristige Folgen für einen jungen Erwachsenen hat, ist es bemerkenswert, dass selbst dieses Ereignis durch Facebook-Likes identifiziert werden kann“, konstatieren Thompson und seine Kollegen. Immerhin in 60 Prozent der Fälle lag ihr Algorithmus dabei richtig.

Die neu entwickelte Auswertelogik greift zudem selbst dann, wenn jemand nur wenige „Likes“ im Netz hinterlassen hat. Bei den Teilnehmern der Studie schwankte Anzahl der vergebenen Lob-Bekundungen zwischen einem und 700. Selbst wenn man nur ein einziges zufälliges Like eines Nutzers kennt, kann dies schon zu einer hohen Trefferquote führen, wie die Forscher erklären. Kenne man dann noch weitere, erhöhe das die Genauigkeit der Zuordnung.

Missbrauch leicht möglich

„Angesichts der zunehmenden digitalen Spuren, die wir im Netz hinterlassen, wird es immer schwieriger zu kontrollieren, welche Merkmale wir preisgeben“, konstatieren Thompson und seine Kollegen. Das Ergebnis der Studie zeige, dass es nicht ausreiche, das Profil mager zu halten und extrem verräterische Seiten zu meiden. Mit solchen leistungsstarken Algorithmen könnten zukünftig auch Unternehmen und Behörden selbst aus scheinbar unkritischen Aktionen im Netz persönliche Informationen ableiten – und sie auch für ihre Zwecke missbrauchen.

„Schon die Tatsache, dass so etwas gemacht werden kann, könnte Menschen zukünftig davon abhalten, digitale Technologien zu nutzen – umso wichtiger ist es daher mehr Transparenz zu schaffen und mehr Kontrolle über unsere Informationen“, appelliert Kosinski. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013; doi: 10.1073/pnas.1218772110)

(PNAS, 12.03.2013 – NPO)

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