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Medizin

Fische auf Parabelflug

Schwerelosigkeit-Tests sollen Reiseübelkeit und Höhenangst erklären

Auch Fische werden reisekrank. Bei mehreren Parabelflügen testen Hohenheimer Zoologen jetzt, wie Fische in der Schwerelosigkeit reagieren und warum nicht jedem Fisch schwindlig wird. Das Projekt soll Möglichkeiten zur Behandlung von Höhenangst und Reiseübelkeit erkunden.

Ganze 22 Sekunden Schwerelosigkeit verordnet der Hohenheimer Zoologe Reinhard Hilbig seinem Team und 300 Buntbarschen. Bei fünf Parabelflügen wird die Schwerelosigkeit jeweils 30 mal auftreten und Fische und Forscher gleichermaßen in Taumel versetzen. Zurück auf dem Boden werden seekranke Fische aussortiert und ihre Gleichgewichtsorgane untersucht. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die Forschung am Menschen. Ziel sind Grundlagenforschungen, die einmal gegen Krankheiten wie Reiseübelkeit und Höhenangst helfen sollen.

Gestörtes Gleichgewicht

Rund die Hälfte der Menschheit lebt mit einem Fehler im Innenohr, wo auch der Gleichgewichtssinn sitzt. 90 Prozent merken nie etwas davon, weil das Gehirn die Fehlinformation ausgleicht. Die restlichen zehn Prozent müssen sich mit Höhenangst und Reisekrankheiten plagen. Um die Ursachen zu finden, benutzt die Arbeitsgruppe um Reinhard Hilbig vom Institut für Zoologie der Universität Hohenheim Buntbarsche als Modellorganismen. Etwa 300 Fische werden einzeln in Röhren gesteckt und gehen an Bord eines Airbus A300, der während eines Fluges 30 Parabeln durchfliegt. Die Parabel beginnt mit einer Steigphase, in der sich das eigene Gewicht verdoppelt. Im anschließenden Sturzflug erleben die Buntbarsche und die Passagiere an Bord den Zustand der Schwerelosigkeit – für ganze 22 Sekunden. Für Menschen mit einem gesunden Gleichgewichtssinn sei dies ein tolles Gefühl, so die Wissenschaftler. Für empfindlich reagierende Passagiere sind Sanitäter an Bord des Flugzeuges. Wer allerdings einmal eingestiegen ist, muss auch alle 30 Parabeln durchhalten.

Fische in Schieflage

Während des Fluges werden die Fische gefilmt, danach ihr Verhalten ausgewertet. „Bei Vorversuchen haben wir beobachtet, dass sich etwa 30 Prozent der Fische nach dem Flug um die Längsachse drehen“, sagt Hilbig. Grund dafür seien die Schwere-Sinnes-Steinchen – kleine Steinchen im Innenohr, die das Gleichgewicht der Fische regulieren: „Bei kranken Fischen sind die Steinchen unterschiedlich groß. Deshalb haben die Barsche in der Schwerelosigkeit das Gefühl, schief zu liegen und versuchen, diese Fehlinformation durch Drehungen auszugleichen.“ An diesen Fischen werden nach den Parabelflügen verschiedene Untersuchungen vorgenommen und die Ergebnisse werden mit dem menschlichen Innenohr verglichen.

Training im Kettenkarussel

Für die aktuellen Flugtests wurden die Tiere vorbehandelt. „Eine Fischgruppe hatten wir vorher mit dreifacher Erdbeschleunigung zentrifugiert, das ist etwas mehr Beschleunigung als bei einem Kettenkarussel“, erklärt Hilbig. „Eine zweite durfte bei verminderter Schwerkraftleben und fühlte sich also leichter als normal.“ Beide Gruppen kämen mit dem Wechsel der Schwerkraft beim Parabelfliegen besser zurecht als untrainierte Tiere: „Wir hatten rund 80 Prozent weniger reisekranke Tiere.“

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Weltraumflug 2006

Für Juli 2006 ist ein größerer Ausflug für die Buntbarsche geplant: Nach dem Unglück der Columbia im Jahr 2003 schickt das zoologische Institut wieder 50 frisch geschlüpfte Fische in den Weltraum. Durch dieses Experiment kann die Entwicklung der Schwere-Sinnes-Steinchen unter den Bedingungen andauernder Schwerelosigkeit untersucht werden.

(Universität Hohenheim, 17.09.2004 – ESC)

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