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Zoologie

Genialer Reflex schützt Ameisen vor dem Sturz

Mechanische Blitzreaktion der Haftlappen am Fuß verstärkt die Haftung bei plötzlicher Erschütterung

Asiatische Weber Ameise. Die Tiere können trotz kopfüber Lage ein Vielfaches des eigenen Körpergewichts stemmen. © Thomas Endlein

Ein genialer Schutzmechanismus sorgt dafür, dass kopfüber laufende Ameisen selbst bei einem Windstoß nicht den Halt verlieren: Spüren ihre Haftborsten und -lappen am Fuß einen Schubs, pressen sie sich fester an den Untergrund und vergrößern so die Haftfläche. Wie britische Forscher herausfanden, erfolgt das aber keineswegs durch Muskelkraft. Stattdessen ist das eine rein mechanische Reaktion ihrer Haftorgane – und verläuft dadurch schneller als es jeder Muskelreflex könnte, wie sie im Fachmagazin “ Proceedings of the Royal Society B“ berichten.

Ob Stubenfliege, Ameise oder Schmetterling: Viele Insekten laufen ohne Probleme senkrechte Wände hinauf und balancieren auch mal kopfüber an einem Ast entlang. Winzige Hafthärchen und -lappen an ihren Füßen sorgen dafür, dass sie dabei nicht den Halt verlieren. Einige Ameisen können damit sogar mehr als hundertfache ihres Körpergewichts tragen. Das Ganze hat aber einen Haken: Unter normalen Umständen – beispielsweise beim Laufen – berührt immer nur ein Teil dieser Haftorgane den Untergrund. Kommt dann eine plötzliche Windböe oder werden die Insekten von einem Regentropfen getroffen, müssten sie deshalb eigentlich haltlos in die Tiefe stürzen.

Reaktion in Sekundenbruchteilen

Doch genau das passiert nicht, wie Tests britischer Forscher jetzt belegen. Sie verabreichten Weberameisen (Oecophylla smaragdina) einen plötzlichen Schubs und filmten mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, was genau dabei an den Füßen der Tiere geschah. Das Ergebnis war verblüffend: Die Ameisen verdoppelten die Kontaktfläche ihrer Hafthaare innerhalb von weniger als einer Millisekunde nach dem Schubs. „Das ist viel schneller als jeder bekannte neuromuskuläre Reflex „, erklärt Erstautor Thomas Endlein von der University of Glasgow. Diese ultraschnelle Reaktion müsse daher auf einer mechanischen Reaktion beruhen.

Offenbar, so enthüllten weitere Tests, gibt nicht die Ameise den Befehl zum Anpressen der Füße, sondern die Hafthaare verändern bei einem drohenden Abrutschen quasi von selbst ihre Anordnung und bewirken so eine Vergrößerung der Kontaktfläche. „Das hat den offensichtlichen Vorteil, dass diese Reaktion nicht darauf warten muss, bis die entsprechenden Nervensignale übermittelt sind der Muskel sich bewegt“, erklären die Forscher. Erst wenn dieser mechanische Reflex schon eingesetzt hat, reagieren auch die Muskeln des Insekts und sorgen zusätzlich für ein Anpressen des Fußes.

Mechanischer Reflex spart Muskeln

Und noch einen Vorteil hat der mechanische Reflex: Da die mechanische Haftkraft sie am Ast hält, benötigen die Ameisen weniger Muskeln, um sich zu tragen. „Wenn Tiere Muskeln durch mechanische Elemente ersetzen, können sie Energie sparen und ihre Gliedmaßen werden zudem viel leichter“, so die Wissenschaftler. Im Fuß der Insekten beispielsweise sitzen kaum Muskeln, die Fasern, die die Klaue krümmen, liegen im Unterschenkel und sind ebenfalls eher mager ausgebildet.

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Und die Ameisen sind nicht die einzigen, die diese doppelte Absicherung gegen Abstürze besitzen: Auch Stabheuschrecken zeigten im Experiment die gleiche ultraschnelle Reaktion. Wie bei den Ameisen vergrößerte sich auch bei ihnen sofort die Kontaktfläche der Haftflächen. Dabei ist es bei beiden Insekten aber nicht ganz egal, aus welcher Richtung der Schubs kommt: Erfolge er von der Seite – also von der Längsseite des Fußes her – funktioniere der mechanische Reflex nicht so gut. Am wirksamsten sei er, wenn der Versatz in Längsrichtung des Fußes erfolge. „Weil aber die sechs Beine der Insekten alle mehr oder weniger in verschiedenen Richtungen zeigen, wird eine Störung immer bei mindestens einem Fuß für den vollen Reflex sorgen“, sagen die Forscher.

Wie verbreitet diese mechanische Schutzreaktion auch bei anderen Insekten und Wirbellosen ist, muss nun noch weiter untersucht werden. Es sei aber naheliegend, dass ein solcher schneller Schutzmechanismus überall dort vorkomme, wo Hafthaare oder -lappen am Fuß für die Fortbewegung und den Halt wichtig sind, mutmaßen Endlein und sein Kollege Walter Federle von der University of Cambridge. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2013; doi: 10.1098/rspb.2012.2868)

(Proceedings of the Royal Society B, 27.02.2013 – NPO)

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