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Geowissen

Mikroben setzen Stickstoffgas aus Todeszonen frei

Forscher haben den Prozess identifiziert, der für Stickstoffverlust in sauerstofffreien Zonen sorgt

Die marinen Sauerstoffminimumzonen. Gezeigt wird die Sauerstoffkonzentration in 300 Meter Wassertiefe. Ca. 30- 50% aller Stickstoffverluste laufen ab in nur 0,1% der Weltmeere. © NOAA

Vor allem entlang warmer Meeresküsten breiten sich immer mehr sauerstofffreie Todeszonen aus. Diese Bereiche sind zwar lebensfeindlich für viele Meeresbewohner, spielen aber eine wichtige Rolle im Stickstoff-Haushalt des Ozeans. Denn dort steigt Stickstoffgas aus dem Wasser in die Atmosphäre auf. Welche Mikroben für diese Freisetzung des Gases verantwortlich sind, war bisher unklar. Jetzt haben Forscher den Täter gefunden, wie sie im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten: Ammonium abbauende Mikroben.

Ein Ziel der modernen Meeresforschung ist es, eine bessere Vorhersage der Auswirkung von Erderwärmung und anderer menschlicher Einflüsse auf die Ozeane weltweit zu ermöglichen. Dazu aber müssen zunächst die natürlichen Prozesse, die hierbei von Relevanz sind, verstanden werden. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei der Stickstoffkreislauf. Denn Stickstoff ist ein essenzieller Nährstoff für alles Leben im Meer und wirkt, wenn er nicht ausreichend vorhanden ist, begrenzend auf das dortige Wachstum. Verschiedene Prozesse binden Stickstoffgas und machen das Element so für Meeresorganismen verfügbar. Bakterien etwa können Stickstoffgas aus der Atmosphäre aufnehmen und als Ammonium ins Meer einbringen. Zudem gelangt Stickstoff durch Staubeintrag oder über die Flüsse in bioverfügbarer Form ins Meer.

Todeszonen als Stickstoffschleuder

Doch der zunächst im Wasser gelöste Stickstoff verlässt das Meer meist schnell wieder als Stickstoffgas. Dafür sind vor allem zwei Stoffwechselprozesse anaerober mariner Mikroorganismen verantwortlich: Denitrifikation und Anammox – anaerobe Ammoniumoxidation mit Nitrit. Bis zu 40 Prozent des weltweiten Stickstoffverlusts durch solche Prozesse findet dabei in sogenannten Sauerstoffminimumzonen (SMZ) – nahezu sauerstofffreien Meeresgebieten – statt. Ursache dieser lebensfeindlichen Todeszonen am Meeresgrund sind in erster Linie Wärme und Überdüngung des Meerwassers – beispielsweise durch über Flussmündungen eingetragene Nährstoffe. Welcher Prozess in diesen Zonen dafür sorgt, dass so viel Stickstoff freigesetzt wird und aufsteigt, war jedoch bisher unklar.

Im Südpazifik befindet sich vor der peruanischen Küste eine der größten Sauerstoffminimumzonen weltweit. Deshalb zog es die Forscher vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und dem GEOMAR bereits in mehreren Expeditionen in die südlich von Lima gelegene Region. „Die östliche tropische Sauerstoffmiinimumzone im Südpazifik ist eine der größten der Welt“, erklärt Tim Kalvelage vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. „Unser Ziel war, die Faktoren, die den Stickstoffverlust in dieser Sauerstoffminimumzone steuern, zu identifizieren und näher zu beschreiben und schließlich mit diesen Ergebnissen die Stickstoffverluste in allen Zonen dieser Art und in den Ozeanen insgesamt besser vorherzusagen.“

Dazu nahmen die Wissenschaftler in den Jahren 2008 bis 2009 Proben, die sie im Labor analysierten. Die dabei gewonnenen Daten zeichnen ein Bild der Nährstoffverteilung und der Prozesse, die für den Stickstoffverlust im östlichen tropischen Südpazifik verantwortlich sind. Zudem identifizierten die Forscher die jeweils beteiligten Bakterien und untersuchten deren Vorkommen in den betroffenen Zonen. Anhand von Modellen errechneten sie zudem die Primärproduktion und die Stickstoffbilanz der Sauerstoffminimumzone.

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Schuld ist der Anammox-Prozess

Die Ergebnisse überraschten die Forscher: „Wir konnten feststellen, dass hauptsächlich der Anammox-Prozess dem Ozean Stickstoff entzieht, und dass die Rate des Stickstoffverlusts mit dem Absinken von organischem Material zusammenhängt“, erklärt Kalvelage. „Das hatten wir nicht erwartet, denn die Anammox-Bakterien nutzen kein organisches Material als Energiequelle, sondern Ammonium und Kohlendioxid.“ Dennoch diene – nach den Ergebnissen zu folgern – das organische Material, welches besonders viel gebundenen Stickstoff enthalte, den Bakterien offenbar als Ammoniumquelle für die Anammox-Reaktion, so die Autoren.

Max-Planck-Forscher Marcel Kuypers fasst zusammen: „Unsere Forschungsarbeit trägt dazu bei, die Auswirkungen der von Menschen verursachten Sauerstoffarmut und der sich ändernden Primärproduktion auf den Stickstoffkreislauf aller anderen SMZ und möglicherweise sogar des gesamten Ozeans besser einschätzen zu können. Davon hängt ab, wie viel Kohlendioxid der Ozean in Zukunft aufnehmen kann.“ Sein Kollege Andreas Oschlies vom GEOMAR in Kiel ist überzeugt: “Diese Forschung ist wesentlich für die Weiterentwicklung unserer biogeochemischen Modelle, die bisher den marinen Stickstoffverlust noch nicht präzise genug darstellen können.“ doi:10.1038/NGEO1739)

(Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, 25.02.2013 – KBE)

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