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Biologie

Elektro-Sinn führt Hummeln zur Blüte

Elektrische Felder der Blüten dienen als Orientierungshilfe und Informationsquelle

Erdhummel (Bumbus terrestris) an einer Blüte © Spacebirdy/Myndir / CC-by-sa 3.0

Blüten locken bestäubende Insekten durch Farben, anmutige Formen und Duft – soweit bekannt. Doch britische Forscher haben nun entdeckt, dass Blüten noch über einen weiteren Kanal Werbebotschaften vermitteln: durch elektrische Felder. Hummeln können diese wahrnehmen und vermutlich daran erkennen, ob Blüten Nektar bieten oder nicht, berichten die Biologen im Fachmagazin „Science“. Per Ladungsbotschaft erfahren die Insekten auch, ob ein Artgenosse die Blüte gerade schon abgegrast hat.

Schon aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass Blüten eine leicht negative elektrische Ladung aufweisen – und ebenso, dass Bienen sich bei ihrem Flug durch die Luftreibung positiv aufladen. Dies brachte Dominic Clarke und seine Kollegen von der University of Bristol auf die Idee, dass die Insekten möglicherweise elektrische Ladungen wahrnehmen könnten und sich daran orientieren. Um dieser Frage nachzugehen, führten sie gezielt Versuche mit der pummeligen Vertreterin der Familie der Bienen durch: der Hummel (Bombus terrestris).

Künstliche Blüten mit und ohne Ladung

Die Forscher entwickelten für ihre Experimente künstliche Blüten, die sich mit unterschiedlichen elektrischen Ladungen versehen ließen. Wie ihre natürlichen Vorbilder boten sie den Hummeln auch eine Nahrungsquelle. Die lernfähigen Insekten nahmen dieses Angebot gern an und besuchten die künstlichen Blüten ebenso wie natürliche. Um nun herauszufinden, ob die Insekten elektrische Felder wahrnehmen können, gaben die Forscher manchen Kunstblüten eine leichte elektrische Ladung, andere blieben dagegen spannungslos. Die geladenen Kunstblüten befüllten die Biologen mit Zuckersaft, die ungeladenen dagegen mit einer bitteren Flüssigkeit. Nun ließen sie die kleinen Brummer auf die Attrappen los und beobachteten ihr Verhalten.

Es zeigte sich: Die Insekten lernten schnell, die ungeladenen Kunstblüten mit dem scheußlichen Getränk zu meiden und stattdessen nur die Attrappen mit dem elektrischen Feld und dem süßen Saft anzufliegen. Um dieses Ergebnis zu überprüfen, entfernten die Forscher nun die elektrische Ladung von den Nektarblüten – sowohl bittere als auch süße Blüten waren nun elektrisch neutral. Das Ergebnis: Tatsächlich die Hummeln nun nicht mehr zwischen gefüllten und ungefüllten Nektarquellen unterscheiden, sie flogen alle genauso häufig an. Für die Biologen ist dies der Beweis, dass die Insekten sich zuvor an der elektrischen Ladung orientiert hatten.

Hummel im Anflug - gelockt auch durch das elektrischce Feld der Blüte © Netopyr / gemeinfrei

Feldmuster als Erkennungssignal

In einem weiteren Test zeigte sich, dass die Hummeln sogar zwischen unterschiedlich orientierten elektrischen Felder unterscheiden können. Die mit Nektar gefüllten Kunstblumen erhielten dafür ein Feld, dessen Ladung sich von außen nach innen in konzentrischen Ringen veränderte. Die leeren Blumen wurden dagegen von einem gleichförmigen, nicht abgestuften Feld umgeben.

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Wie die Forscher berichten, lernten die auf der Versuchsfläche freigelassenen Hummeln schnell und flogen nach kurzer Übungszeit in 70 Prozent der Fälle nur noch die Blüten mit dem konzentrischen Feld an. „Das zeigt, dass die Hummeln nicht nur die Anwesenheit eines elektrischen Feldes erkennen, sondern die Blüten auch anhand der Geometrie des Feldes unterscheiden können“, konstatieren die Forscher. Die Pflanzen könnten diese Eigenschaft daher nutzen, um ihren Bestäubern entsprechende Signale zu übermitteln.

„Besuch lohnt nicht“

Und noch einen Nutzen könnte der „sechste Sinn“ für die Hummeln haben: Die Forscher vermuten, dass sie mit Hilfe der elektrischen Felder auch feststellen können, ob eine Blüte gerade von einer anderen Biene besucht wurde und deshalb momentan keinen Nektar bietet. Denn wenn eine positiv geladene Hummel auf einer Blume mit leicht negativem Potenzial landet, verändert sich das elektrische Feld der Blüte für eine gewisse Zeit. Das zeigten Messungen mit an Petunien angebrachten Elektroden. Nach Besuch einer Hummel blieb deren negative Ladung rund 100 Sekunden lang ausgeglichen, bevor sie sich wieder etablierte.

Das, so vermuten die Wissenschaftler, können die Hummeln wahrnehmen und so die frisch entleerte Blüte meiden. Nach Ansicht der Forscher macht diese physikalische Reaktion durchaus auch biologisch Sinn: „Eine Pflanze hat kein Interesse daran, eine Hummel anzulocken, aber dann keinen Nektar zu liefern. Denn die lernfähigen Insekten würden dann schnell das Interesse an den Blüten dieser Pflanze verlieren“, erklärt Studienleiter Daniel Robert.

Wie die Insekten elektrische Felder wahrnehmen, bleibt nun noch eine offene Frage, sagen die Forscher. Es könnte allerdings sein, dass die feinen Borsten der Hummeln auf die elektrostatischen Kräfte reagieren, die durch diese Felder ausgelöst werden. Diesen Effekt kann man beispielsweise feststellen, wenn man sich mit dem Kopf einem Bildschirm oder einem zuvor an einem Wolltuch geriebenen Luftballon nähert: Die Haare werden von dem aufgeladenen Objekt leicht angezogen. (Science, 2013; doi: 10.1126/science.1230883)

(Science, 22.02.2013 – MVI)

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