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Informatik

Internet: In nur 19 Klicks um die Welt

Die Struktur des globalen Netzwerks folgt dem "Kleine Welt"-Prinzip

Struktur eines Zufalls-Netzwerks und eines skalenfreien Netzes © Carlos Castillo / CC-by-sa 3.0

Das Internet umfasst heute Milliarden von Seiten – und trotzdem ist es eine sehr „kleine Welt“: Denn um von einer Seite zu einer beliebigen anderen zu kommen, benötigt man im Durchschnitt nur 19 Klicks. Das zeigt die umfassende Strukturanalyse eines US-amerikanischen Forschers. Demnach ist das Internet eindeutig kein Zufallsnetz und spiegelt auf verblüffende Weise typische soziale Verhaltensmuster der realen Welt wider, wie er im Fachmagazin „Philosophical Transactions of the Royal Society A“ berichtet.

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Das Internet hat die Welt verändert: Es verbindet Erdteile und ist längst alltäglicher Teil unserer Freizeit, Kommunikation und Arbeit geworden. Dass wir das Netz als gegeben und selbstverständlich ansehen, gilt offenbar nicht nur für die Mehrheit der Internetnutzer, sondern war bis vor kurzem auch unter Wissenschaftlern der Fall, wie Nigel Shadbolt von der University of Southampton und seine Kollegen in der Webscience-Sonderausgabe des Fachmagazins erklären. Doch in den letzten Jahren wurde immer klarer, dass es auch am „Ökosystem Web“ einiges zu erforschen gibt. Einer der Wissenschaftler, die genau dies tun, ist Albert-László Barabási von der Northeastern University in Boston. Er hat vor allem die strukturellen Eigenschaften des World Wide Web genauer untersucht.

Superknoten statt Zufallsnetzwerk

Als das Internet in den 1990er Jahren zu wachsen begann, dachte man zunächst, es habe die Merkmale eines typischen Zufallsnetzwerks: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Knoten in diesem Netz miteinander verknüpft sind, ist dabei überall gleich hoch. Jeder Knoten hat daher auch mehr oder weniger die gleiche Zahl von Verknüpfungen. Diese Annahmen haben sich allerdings inzwischen als falsch erwiesen, wie Barabási berichtet. „Stattdessen bilden einige wenige Knoten im Netz – Beispiel Google oder Facebook – Zentren mit extrem vielen Verknüpfungen zu anderen Seiten, die große Mehrheit der restlichen Knoten hat dagegen nur wenige Links“, erklärt der Forscher.

Damit folgt das Internet dem Prinzip eines skalenfreien Netzwerks, dessen Verknüpfungen dem Potenzgesetz folgen. Egal, wie groß der Ausschnitt ist, den man sich anschaut, immer bleibt das Prinzip gleich: Es gibt einige wenige Superknoten mit fast unendlich vielen Links und viele weniger vernetzte kleinere. Auch wo neue Verbindungen entstehen, ist in einem solchen Netz keineswegs Zufall. „Neue Seiten verlinken sich eher mit älteren, bereits gut bekannten und stark vernetzten anderen Seiten“, sagt Barabási. Oder mathematisch ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Knoten sich mit einem Knoten mit bereits x Links verbinde, sei proportional zu x. Nach diesem Prinzip nehmen Superknoten wie google, facebook oder amazon daher ständig noch an Bedeutung und Vernetzungsdichte zu, während andere, kleinere Site eher stagnieren.

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Kleine Welt mit spezifischen Schwachstellen

Doch in seinen Analysen identifizierte Barabási noch ein weiteres Merkmal des World Wide Web. Ähnlich wie viele soziale Netze, in denen wir uns täglich bewegen, folgt auch das Internet dem „Kleine Welt“-Prinzip: Die Verknüpfungspfade zwischen beliebigen Knoten sind kurz, man benötigt im Durchschnitt nur rund 19 Klicks. Zudem ist die Wahrscheinlich groß, dass zwei Seiten, die beide auf dieselbe dritte Seite verlinken, auch untereinander verbunden sind. Verwunderlich ist das nicht, denn damit spiegelt das Internet letztlich eine typische Eigenschaft unseres Verhaltens und unserer sozialen Netzwerke in der realen Welt wider, wie der Forscher erklärt.

Das Wissen um die Feinheiten der Netzstruktur hat nicht nur akademischen Wert, es hilft auch einzuschätzen, wie gefährdet das Internet ist. „Wenn man aus einem normalen Netzwerk einige zufällig ausgewählte Knoten entfernt, zerfallen die meisten schnell in einen Satz kleinerer Unternetze oder sogar isolierter Knoten“, sagt Barabási. Anders in einem skalenfreien Netz wie dem Internet: Bei einem zufälligen Angriff schrumpfe es zwar, falle aber nicht auseinander. Man müsse schon fast alle Knoten entfernen, um ein dadurch solches Netzwerk zu zerstören, meint der Forscher.

Allerdings hat die Sache einen großen Haken: Erfolgen die Angriffe nicht zufällig, sondern richten sich gezielt gegen die am stärksten vernetzten Sites, die Superknoten, dann bricht das Netz umso schneller zusammen. „Das ist die Achillesferse solcher skalenfreier Netzwerke – und damit auch des Internets“, erklärt Barabási.

„Das Internet ist der Spiegel der Menschheit – und deshalb müssen wir uns selbst verstehen, wenn wir verstehen wollen, was wir da in den letzten beiden Jahrzehnten erschaffen haben“, kommentieren Shadbolt und seine Kollegen. Die Erforschung des Netzes liefere uns daher umgekehrt auch immer einen Einblick in unsere eigene Natur. (Philosophical Transactions of the Royal Society A, 2013; doi: 10.1098/rsta.2012.0375)

(Royal Society, 19.02.2013 – NPO)

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