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Medizintechnik

Parkinson: Hirnschrittmacher kann schon früh helfen

Gelinderte Symptome und verbesserte Mobilität sprechen für einen früheren Einsatz der Hirnstimulation

Historische Zeichnung des schlurfenden Gangs eines Parkinson-Patienten. Aus: Handbuch für Krankheiten des Nervensystems von 1886. Zeichner: Sir William Richard Gowers. © gemeinfrei / Beao

Ein frühzeitiger Einsatz der Tiefen Hirnstimulation kann die Lebensqualität von Parkinson-Patienten deutlich erhöhen. Bisher wurden solche Hirnschrittmacher erst nach frühestens zehn Jahren der Krankheit angewendet. Doch beginnt man damit früher, lindert dies die Symptome und erhöht die Mobilität der Patienten überraschend deutlich, wie eine Studie Tübinger Forscher zeigt. Die Fähigkeit ihrer Probanden,
Tätigkeiten des alltäglichen Lebens zu meistern, verbesserte sich um 30 Prozent. Zudem gab es kaum anhaltende Nebenwirkungen, wie die Forscher im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ berichten.

In Deutschland sind rund 250.000 Menschen an Morbus Parkinson erkrankt. Weltweit sind es über sechs Millionen. Die Ursache der Erkrankung liegt im Absterben der Zellen der Substantia nigra, einer Region im Mittelhirn, die auch Schwarze Substanz genannt wird. Die Nervenzellen der Substantia nigra produzieren den Botenstoff Dopamin. Je mehr dieser Nervenzellen absterben, desto weniger Dopamin steht zur Verfügung. Sind rund die Hälfte der Nervenzellen abgestorben, macht sich der dadurch ausgelöste Dopaminmangel durch erste Krankheitszeichen bemerkbar. Typische Parkinsonsymptome sind zum Beispiel ein schlurfender, kleinschrittiger Gang, ein regloser Gesichtsausdruck oder Muskelzittern.

Neben Medikamenten wie dem Dopamin-Ersatzstoff L-Dopa wird seit 1998 auch die Tiefe Hirnstimulation (THS) zur Behandlung der Parkinson-Symptome eingesetzt. Dabei wird eine winzige Elektrode über ein Loch im Schädel in das Gehirn eingeführt und im Zielgebiet verankert. Ein Impulsgeber, der die Größe eines Herzschrittmachers hat, wird unter dem Schlüsselbein implantiert. Er gibt über die Elektrode elektrische Reize an das Zielgebiet abud blockiert dadurch die Aktivität der Neuronen in der Umgebung der Hirnelektrode. So kann die veränderte Nervenzellaktivität, die für die gestörten Bewegungsabläufe bei der Parkinson-Krankheit verantwortlich ist, gezielt ausgeschaltet werden.

Bisher nur im Fortgeschritten Stadium

Bislang kam die Tiefe Hirnstimulation nur bei Patienten mit schweren Symptomen und in fortgeschrittenen Krankheitsstadien, klassischerweise nach einer Krankheitsdauer von über zehn Jahren zum Einsatz. Man war davon ausgegangen, dass Patienten erst später im Krankheitsverlauf von einer tiefen THS profitieren. „Die beginnenden Bewegungsstörungen können zu einem früheren Zeitpunkt auch durch Medikamente gut behandelt werden. Parkinson-Medikamente haben jedoch, wenn sie über viele Jahre eingenommen werden müssen, schwere Nebenwirkungen“, sagt Rejko Krüger, Forschungsgruppenleiter am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung. Ziel der neuen Studie sei es deshalb gewesen, herauszufinden, welche Vorteile der frühere Einsatz einer THS gegenüber der klassischen medikamentösen Behandlung den Patienten bietet, so der Hirnforscher.

Um das zu klären untersuchten die Forscher insgesamt 251 Parkinson-Patienten, die im Durchschnitt bereits seit sieben Jahren an der Krankheit litten. Eine Hälfte der Patienten erhielt für die THS- Behandlung einen Hirnschrittmacher. Die andere Hälfte wurde medikamentös behandelt. Die Wissenschaftler verglichen später die Therapieerfolge beider Gruppen in Hinblick auf die Lebensqualität der Probanden.

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Stereotaxiegerät zur Platzierung einer Stimulationselektrode. © Thomasbg / CC-by-sa 3.0

Positives Ergebnis für THS

„Die Ergebnisse der Studie zeigten ein einheitlich positives Bild zugunsten der THS“, freut sich Krüger. Bei der Hirnschrittmacher-Gruppe verbesserte sich nach zwei Jahren die Lebensqualität um 26 Prozent. So erzielten beispielsweise die in ihrer Mobilität stark beeinträchtigten Probanden eine um 53 Prozent verbesserte Bewegungsfähigkeit. Ihre Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens zu meistern, verbesserte sich um 30 Prozent. Und auch die häufig durch Medikation mit L-Dopa verursachten Nebenwirkungen wurden durch die THS-Therapie im Schnitt um 61 Prozent reduziert.

„Die Vorteile für die THS-Patienten sind damit überraschend deutlich und beeindruckend. Auch die Depressionen der Probanden haben sich signifikant verbessert. Darüber hinaus vertrugen die Patienten in einem früheren Krankheitsstadium das Implantieren der für die THS notwendigen Elektrode besser als ältere Patienten“, sagt Krüger. Keine der insgesamt 27 durch die notwendigen Operationen verursachten Nebenwirkungen hinterließ bleibende Schäden.

„Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse Eingang in die Parkinson Therapieleitlinien finden, so dass Patienten flächendeckend von einem frühen Einsatz der Tiefen Hirnstimulation profitieren können“, hofft Krüger. (N Engl J Med, 2013,doi: 10.1056/NEJMoa1205158)

(New England Journal of Medicine / Universität Tübingen, 15.02.2013 – KBE)

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