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Klima

Sonnenlicht macht Permafrost zur CO2-Schleuder

Photochemischer Zerfall beschleunigt Abbau organischer Substanzen aus den aufgetauten Böden der Arktis

Durch Auftauen des arktischen Permafrosts entstehen Senken und Rutschungen, die besonders viel CO2 abgeben. In diesem Bachlauf kann man deutlich die so entstandenen Senken erkennen. © Rose Cory

In den ausgedehnten Permafrost-Gebieten der Arktis schlummern gewaltige Mengen organischer Kohlenstoffverbindungen. Im Zuge des Klimawandels tauen diese Böden nun allmählich auf – und setzten Treibhausgase frei. Jetzt haben US-amerikanische Forscher einen Faktor entdeckt, der den Ausstoß von Kohlendioxid aus den arktischen Böden dramatisch beschleunigt: das Sonnenlicht. Das Licht lässt die organischen Substanzen zerfallen und macht sie so für abbauende Bakterien leichter zugänglich, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

Der Klimawandel sorgt vor allem in der Arktis für stetig steigende Temperaturen. Schon jetzt verwandeln sich weite Gebiete einstigen Permafrosts im Sommer in matschige Schlammwüsten. Für die dort seit Jahrtausenden tiefgefrorenen Bodenmikroben ist das ein echter Weckruf: Einmal aufgetaut, beginnen sie mit Hochdruck, die nährstoffreichen organischen Verbindungen im Boden zu verzehren. Der in diesen Pflanzenresten, Tierkadavern oder Kotspuren gespeicherte Kohlenstoff wird dadurch in CO2 umgewandelt und steigt in die Atmosphäre auf.

Wenn das Eis fehlt, gibt der Boden nach

Doch das Auftauen des Permafrosts hat noch eine andere – deutlich sichtbare – Folge, wie Rose Cory von der University of North Carolina in Chapel Hill und ihre Kollegen erklären. Weil der Boden durch das fehlende Eis seine Stabilität verliert, häufen sich in der Tundra kleinere und größere Senken und Rutschungen. Dieser Prozess wird auch als Thermokarst bezeichnet. „Dadurch werden plötzlich Bodenschichten ans Tageslicht gebracht, die zuvor im Dauerdunkel lagen“, so die Forscher. Die in diesem Boden enthaltenen organischen Verbindungen werden mit Regen und Schmelzwasser auch vermehrt in Tümpel und Bäche gespült – und liefern den dortigen Bakterien willkommene Zusatznahrung. Was dies aber für den mikrobiellen Abbau dieser Verbindungen bedeutet und für die Freisetzung von CO2, haben die Wissenschaftler jetzt vor Ort erstmals genauer untersucht.

Durch Auftauen des arktischen Permafrosts entstehen Senken und Rutschungen, die besonders viel CO2 abgeben. Im Hintergrund sieht man deutlich, wie der Boden in das Bachbett abrutscht. © Rose Cory

Für ihre Studie analysierten Cory und ihre Kollegen Proben aus 27 ungestörten Gewässern, sowie aus sieben Standorten an Thermokarst-Rutschungen. In allen Proben prüften sie zunächst den Gehalt an gelösten organischen Verbindungen und testeten dann, wie sich Bakterien-Aktivität und CO2-Ausstoß der Proben veränderte, wenn sie hellem Licht ausgesetzt wurden. Wenig überraschend enthielten die Wasserproben aus frischen Thermokarst-Bereichen mehr organische Verbindungen und damit auch mehr gelösten Kohlenstoff als die Vergleichsproben, wie die Forscher berichten. Kaum wurde die Brühe aus den Thermokarst-Arealen jedoch dem hellen Licht ausgesetzt, zerfielen die komplexeren Verbindungen in ihnen sehr schnell – deutlich schneller als bei den Proben aus den Seen und Bächen.

Durch Lichteinfluss schmackhafter

Diese photochemischen Veränderungen blieben nicht ohne Folgen: Wie die Forscher feststellten, begannen gleichzeitig auch die Bakterien in der Thermokarst-Brühe extrem aktiv zu werden: „Im Durchschnitt erhöhte sich die Mikrobentätigkeit in diesen Proben fast um 50 Prozent, in den Vergleichsproben sank sie dagegen bei hellem Licht sogar um fast 14 Prozent ab“, berichten Cory und ihre Kollegen. Weil das lange Zeit unter der Oberfläche gelagerte organische Material besonders leicht bei Licht zerfällt, so die Vermutung der Forscher, macht dies diese nährstoffreichen Reste für die Bakterien besonders leicht zersetzbar. Als Folge aber steigt auch die Menge des durch diese Prozesse freigesetzten Kohlendioxids.

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Damit sorgt nicht nur die Erwärmung selbst und das Auftauen der arktischen Böden für eine verstärkte Freisetzung von CO2 aus dem Permafrost. Auch das Sonnenlicht, das frisch aufgedeckte Böden bescheint, heizt die Mikrobentätigkeit und damit den Treibhausgas-Ausstoß noch zusätzlich an. „Bisher existieren zwar noch keine Schätzungen darüber, wie viel Prozent des im arktischen Boden gespeicherten Kohlenstoffs tatsächlich durch solche Thermokarst-Prozesse an die Oberfläche gelangen wird“, betonen Cory und ihre Kollegen. Aber die Flächen, auf denen dies geschehe, könnten durch den Einfluss des Sonnenlichts bis zu 40 Prozent mehr CO2 freisetzen. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013; doi: 10.1073/pnas.1214104110)

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 12.02.2013 – NPO)

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