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Zoologie

Verkehrsfunk für die Ameisenstraße

Bei Stau machen Duftmarken, die Route für andere Tiere weniger attraktiv

Feuerameisen auf Futtersuche © USDA/ Stephen Ausmus

Ameisen mögen keinen Stau – er bringt ihr ausgeklügeltes Versorgungssystem ins Stocken. Britische Forscher haben jetzt beobachtet, was die Insekten tun, wenn ihre Nachschubwege verstopft sind. Sie lassen den betroffenen Weg für ihre Artgenossen weniger attraktiv erscheinen – per Duftsignal. Herrscht Stau auf der Futterroute, setzen die Ameisen weniger Duftmarken ab als sonst, dadurch löst sich das Verkehrsproblem nach einiger Zeit von allein, wie die Forscher im Fachmagazin „Interface“ berichten.

Ein Ameisenstaat funktioniert wie geschmiert, jedes Einzeltier scheint genau zu wissen, wann es wo zu sein hat und was es tun soll. Geregelt wird dies alles aber nicht durch Befehle von oben, sondern durch das autonome Handeln der Einzeltiere und ihre Kommunikation untereinander. Beispiel Futtersuche: Es gibt in Ameisenstaaten immer einige wenige Arbeiterinnen, die ausschwärmen, um Nahrung für das Volk zu suchen. Werden sie fündig, markieren sie auf dem Rückweg die entdeckte Route mit bestimmten Duftstoffen. Diese locken nun mehr Artgenossinnen aus dem Nest und zur Futterquelle, die wiederum selbst Duftnoten hinterlassen. Auf diese Weise kommt es zu einem positiven Rückkopplungseffekt – ein einzelnes Signal verstärkt sich in kurzer Zeit, bis es die ganze Gruppe leitet.

Alternative zum Stopp-Signal

Doch was tun die Ameisen, wenn durch ihr Verstärkungsprinzip der Weg zum Futter irgendwann völlig verstopft ist? Diese Frage haben sich nun Tomer Czaczkes und seine Kollegen von der University of Sussex gestellt. Es sei bereits bekannt, dass manche Ameisenarten für solche Fälle eine Art Stopp-Duftmarke hinterlassen können, erläutern sie. Damit verhindern sie beispielsweise, dass ihre Artgenossinnen falsche Abzweigungen nehmen, und auch auf weniger attraktiven Routen werden diese Duftstoffe hin und wieder hinterlassen.

Das scheint jedoch nicht die einzige Möglichkeit zu sein, auf ungünstige Straßenverhältnisse zu reagieren, wie die Versuche der Forscher zeigten. Sie ließen Ameisen im Labor über eine Brücke zu einer Schale mit Zuckerwasser laufen und beobachteten, wie viele Tiere den Weg wie intensiv markierten. In einigen Fällen liefen die Insekten über eine zwei Zentimeter breite Brücke, in anderen war der Weg lediglich einen halben Zentimeter breit, so dass sich hin- und herlaufende Ameisen in jedem Fall berührten. Zusätzlich manipulierten die Forscher noch die Anzahl der Tiere, die sich auf diesem Weg befanden – teils, indem sie einfach nicht mehr als neun Ameisen auf die Brücke ließen und teils, indem sie nach Ameisen riechende schwarze Glaskügelchen auf dem Weg platzierten, um so einen heftigen Stau zu simulieren.

Bei Stau wird nicht mehr markiert

Das Ergebnis: Wenn Stau herrscht, hinterlassen die Ameisen weniger Duftmarken auf dem Weg. Das erreichen sie auf zwei Arten: Zum einen verteilen die einzelnen Tiere jeweils weniger Duftstoff, und zum anderen fühlen sich weniger Ameisen überhaupt bemüßigt, den Weg zu markieren. Auf diese Weise erreichen sie einen negativen Rückkopplungseffekt, erläutern die Forscher: Ein zuvor starkes Signal schwächt sich auf diese Weise immer mehr ab und verhindert so, dass sich der Stau in Richtung Futterquellen noch verschlimmert. Lässt die Dichte der Tiere auf dem Weg jedoch wieder nach, nimmt auch die Signalstärke wieder zu und es kommt erneut zu einem gleichmäßigen Verkehrsfluss.

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Das zeige, dass Ameisen offenbar ein großes Repertoire an Möglichkeiten haben, auf bestimmte Situationen zu reagieren, resümieren die Forscher. Neben der passiven Variante des negativen Feedbacks, die sie in der aktuellen Studie selbst beobachtet haben, gibt es noch diverse aktive Varianten. Dazu gehören die bereits erwähnten Stopp-Signale ebenso wie die Gewohnheit der Tiere, andere durch Schubsen auf einen anderen Pfad als den verstopften zu führen. Diese Kombination aus aktiven und passiven Strategien könnte möglicherweise als Vorbild für sich selbst organisierende Systeme dienen, spekuliert das Team. (Journal of the Royal Society Interface, 2013; doi:10.1098/rsif.2012.1009)

(Journal of the Royal Society Interface, 30.01.2013 – ILB)

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