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Medizin

Botox: Leuchtende Bläschen statt Tierversuche

Nervengift-Präparat kann künftig ohne Mäuse zu töten getestet werden

Bakterium Clostridium botulinum mit Giftbläschen © CDC

Botulinum-Toxin (Botox) ist extrem giftig, wird aber auch in der Pharma- und Kosmetikindustrie eingesetzt. Bisher müssen für Sicherheits- und Konzentrationstests jährlich rund eine halbe Million Mäuse sterben. Eine neue Methode könnte ihr Leben nun retten. Künstlich erzeugte Leuchtbläschen zeigen dabei genau an, wie viel Gift in einem Präparat enthalten ist.

Das von dem Bakterium Clostridium botulinum produzierte Botulinum-Neurotoxin (Botox) ist eines der stärksten bekannten Gifte. Botox hemmt die Signalübertragung von Nervenenden zu den Muskeln, was zu Lähmungen bis hin zum Atemstillstand führt. Ein Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht dieser Substanz reicht, um einen Erwachsenen zu töten. Botox ist berüchtigt als Lebensmittelgift, zum Beispiel bei ungenügend sterilisiertem, eingemachtem Gemüse. Botulinum Neurotoxin hat aber auch Vorzüge. So werden damit Dutzende von chronischen Leiden und Gebrechen behandelt, darunter nervlich bedingte Fehlhaltungen wie der Schiefhals, Schielen, Migräne oder der Tennisarm. Seit den 1990er Jahren nutzt auch die Kosmetikindustrie das Gift im großen Stil, um Falten im Gesicht zu glätten.

Eine halbe Million Mäuse sterben für Botox

Der Einsatz von Botox ist allerdings ein Spiel mit dem Feuer. Das Toxin ist ein Naturprodukt und wird nicht in konstanter Konzentration produziert. Zulassungsbehörden verlangen deshalb, dass jede Charge eines Botox-haltigen Therapeutikums mit dem sogenannten LD50-Test an Mäusen auf seine Giftigkeit getestet wird. Dabei wird bestimmt, bei welcher Dosis die Hälfte der Tiere stirbt. Für solche Routinetests in der Pharmaindustrie müssen in der EU und den USA jährlich über eine halbe Million Mäuse ihr Leben lassen.

Forscher der ETH Zürich um Oliver Weingart haben nun ein Testsystem entwickelt, das diese Mäuseleben retten könnte. Das System ist das erste, das ohne Versuchstiere oder lebende Zellen auskommt, denn es misst die toxische Aktivität des Nervengifts mithilfe von künstlich hergestellten Lipidmembran-Bläschen, so genannten Liposomen. Diese von einer Lipid-Doppelmembran umgebene Bläschen, die den Enden von Nervenzellen nachempfunden sind, hat der Forscher dafür im Labor erzeugt.

Leuchten zeigt Giftwirkung

In die Membran eingebettet sind spezifische Nervenzellrezeptoren, an welche das Botulinum-Neurotoxin nach dem Schloss-Schlüssel-Prinzip bindet. Indem die umgebende Flüssigkeit angesäuert wird, verändert sich die Struktur des Toxins, sodass ein Teil von ihm in das Liposom eingeschleust wird. Dort entfaltet das Toxin eine weitere Aktivität und zerkleinert ein im Bläschen enthaltenes Protein, das nach der Spaltung zu leuchten beginnt. Diese Fluoreszenz ist direkt an die Botox-Konzentration gekoppelt: Je stärker die Liposomen leuchten, desto höher ist auch die Konzentration des Giftes.

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Das Verfahren hat nach Ansicht der Forscher handfeste Vorteile. „Die Liposomen lassen sich günstig produzieren, und für das Handling braucht es keine spezielle Schulung des Personals“, sagt Weingart. Zudem liegt bei Mäusen die Nachweisgrenze von Botulinum-Neurotoxin bei etwa zehn Pikogramm. Das Ziel ist, dass sich mithilfe der Liposomen weniger als ein Pikogramm des Giftes – den billionstel Teil eines Gramms – feststellen lassen könnte. Schon nach ein bis drei Stunden erzeugt das Testsystem eine messbare Fluoreszenz. Das endgültige Resultat des Tests ist nach weniger als 24 Stunden erhältlich, bei Mäusen dauert es mindestens ein bis vier Tage.

„Wir haben gesehen, dass die Idee umsetzbar ist“, sagt Martin Loessner, Professor für Lebensmittelmikrobiologie an der ETH. Die Forscher haben deshalb begonnen, die Testanordnung zu standardisieren. Dabei geht es auch darum, die Liposomen zu verbessern, damit verlässlichere Messungen möglich werden. Die Forscher haben zusammen mit dem Schweizer Bundesamt für Bevölkerungsschutz ihr neues Testsystem bereits weltweit zum Patent angemeldet. Bisher haben sich die Forscher auf die Pharmaindustrie konzentriert. Sie können sich aber auch vorstellen, das Testsystem für andere Anwendungen auszubauen. Es wäre denkbar, eine vergleichbare Testanordnung für Trinkwasser oder Lebensmittel zu entwickeln, um Neurotoxine aufzuspüren.

(ETH Zürich, 14.01.2013 – NPO)

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