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Biologie

Feuerwanzen: Hilfe durch symbiontische Keime

Darmbakterien helfen bei der Verdauung giftiger Baumwollsamen

Die afrikanische Baumwollwanze (Dysdercus fasciatus) kultiviert bakterielle Symbionten in ihrem Mitteldarm, die für ihr Wachstum und ihre Fortpflanzung notwendig sind. © MPI für chemische Ökologie/ Kaltenpoth

Die zu den Feuerwanzen gehörende Baumwollwanze frisst ausschließlich giftige Baumwollsamen. Warum sie mit dieser eigentlich ungenießbaren Kost trotzdem bestens gedeiht, könnten deutsche Forscher jetzt entdeckt haben: Die Baumwollwanze trägt in ihrem Darm Bakterien, die ihr offenbar dabei helfen, die ungenießbare Nahrung zu verwerten. Wurden die Wanzen ihrer diese bakteriellen Helfer beraubt, zeigten sie deutliche Anzeichen für Mangelernährung, wie die Forscher im Fachmagazin “ Environmental Microbiology“ berichten. Unklar ist allerdings noch, ob die Keime auch die Baumwollsamen entgiften, oder ob sie nur zusätzliche Nährstoffe aufschließen.

Wanzen gehören zur Insekten-Ordnung der Hemiptera (Schnabelkerfe), zu der mehr als 80.000 beschriebene Arten gezählt werden. Viele dieser Arten sind wichtige Landwirtschaftsschädlinge, die für erhebliche Ernteverluste verantwortlich sind. Hierzu zählen auch die Baumwollwanzen aus der Familie der Feuerwanzen: Sie fressen an Samenkapseln und hinterlassen dauerhafte Verfärbungen an den Baumwollfasern, weshalb der Schädling auch Baumwollfärber genannt wird. Die bisherige Forschung an Pflanzensaft saugenden Insekten hat gezeigt, dass diese mikrobielle Symbionten für die Nahrungsverwertung benötigen. Dagegen blieb unklar, wie Baumwollwanzen und andere Samen fressende Wanzenarten diese Futterquelle verwerten können, die reich an giftigen sekundären Pflanzenstoffen, aber arm an bestimmten essenziellen Nährstoffen ist.

Impfung mit Symbionten schon im Ei

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben nun untersucht, welche Rolle symbiontische Bakterien bei der Nahrungsaufnahme der Feuerwanzen spielen. Mit Hilfe der Hochdurchsatz-Sequenzierung entschlüsselten sie dafür fast 300.000 Kopien bakterieller 16S rRNA-Gene. Dabei fanden sie heraus, dass Feuerwanzen eine charakteristische Gemeinschaft von drei bis sechs bakteriellen Symbionten in einer bestimmten Region des Mitteldarms beherbergen.

„Die Symbionten werden von der Mutterwanze auf die Eier übertragen“, erläutert der Max-Planck-Forscher Sailendharan Sudakaran. „Die frisch geschlüpften Nymphen saugen an der Oberfläche der Eihülle und nehmen die dort befindlichen Bakterien auf. So wird sichergestellt, dass die Wanzen die Symbionten ihr gesamtes Leben lang behalten und später an die nächste Generation weitergeben.” Feuerwanzen aus verschiedenen geografischen Regionen und sogar über verschiedene Arten hinweg wiesen erstaunlich ähnliche Mikrobengemeinschaften auf, was darauf schließen lässt, dass sie bereits seit Millionen von Jahren mit ihren Bakterien in Symbiose leben.

Eng verwandt: gemeine Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus) © MPI für chemische Ökologie/ Kaltenpoth

Bleiche gegen bakterielle Helfer

Um herauszufinden, ob die bakteriellen Symbionten den Wanzen auch dabei helfen, sich ohne Schaden von den giftigen Baumwollsamen zu ernähren, führten die Forscher ein simples Experiment durch: Sie tauchten die Insekteneier in Bleichlösung und Ethanol und töteten dabei die Bakteriengemeinschaft auf der Eioberfläche, ohne den sich entwickelnden Insektenembryo zu schädigen. Einige der Eier wurden daraufhin mit einer Mischung von Bakterien aus dem Darm einer ausgewachsenen Wanze neu infiziert, während die übrigen Eier symbiontenfrei blieben. Alle schlüpfenden Jungtiere wurden mit Baumwollsamen aufgezogen.

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Das Ergebnis: „Symbiontenfreie Wanzen zeigten klare Anzeichen von Mangelernährung, obwohl sie mit den gleichen Pflanzensamen gefüttert wurden wie die Vergleichstiere“, berichtet Max-Planck-Forscher Hassan Salem. „Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass die Symbionten einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsverwertung ihrer Wirte leisten.“ Erstaunlich sei aber, dass selbst der Austausch der bakteriellen Gemeinschaften zwischen Gemeinen Feuerwanzen und Baumwollwanzen zu einer reduzierten Fitness in beiden Arten führte. Die Symbiosen sind also trotz ihrer Ähnlichkeit hochspezifisch.

In weiteren Versuchen möchten die Wissenschaftler nun noch herausfinden, ob die bakteriellen Symbionten ihre Wirte mit wichtigen Nährstoffen versorgen, die in der ausschließlichen Ernährung mit Samen fehlen, oder ob sie die Baumwollsamen entgiften. „Die genaue Kenntnis der Wechselwirkungen zwischen Insekten und ihren mikrobiellen Symbionten ist unverzichtbar für das grundlegende Verständnis der Physiologie, Ökologie und Evolution von Insekten“, erklärt Martin Kaltenpoth, Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose. Im Fall von Schadinsekten wie der Baumwollwanze können diese Erkenntnisse außerdem neue Wege der biologischen Schädlingsbekämpfung aufzeigen.

(Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 11.01.2013 – NPO)

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