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Neurobiologie

Psychotherapie verändert das Gehirn

Übersteigerte Hirnaktivität von Patienten mit Panikstörungen geht auf Normalmaß zurück

Psychotherapie ist mehr als nur Blabla: Kognitive Verhaltenstherapie kann bei Panik-Patienten sogar konkrete, mittels Hirnscan messbare Veränderungen im Gehirn verursachen. Sie regelt zuvor übererregte Hirnareale herunter und stutzt zuvor anormal verstärkte Verknüpfungen auf ein Normalmaß zurück. Das zeigt die Studie eines internationalen Forscherteams. Die neuen Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, psychotherapeutische Verfahren künftig noch effektiver zu machen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Biological Psychiatry“.

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In Deutschland erkranken rund ein Drittel der Menschen mindestens einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Eine Panikstörung tritt bei rund drei bis fünf Prozent der Bevölkerung auf und ist gekennzeichnet durch plötzlich einsetzende panische Angst, Herzrasen, Schwitzen und dem Gedanken, sterben zu müssen oder in Ohnmacht zu fallen. Die Psychotherapie gilt neben der medikamentösen Behandlung als effektive und weit verbreitet eingesetzte Methode zur Linderung dieser Probleme. Bisher war aber ungeklärt, ob und wie sich Psychotherapie auf das Gehirn von Patienten mit einer Panikstörung auswirkt.

Vor und nach der Therapie in den Hirnscanner

Um dies zu klären, haben Forscher unter Leitung von Tilo Kircher und Benjamin Straube von der Philipps-Universität Marburg den Effekt der Psychotherapie auf die Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) untersucht. Es handelt sich dabei um die weltweit größte Studie dieser Art. Dabei wurden bei 42 Patienten mit einer Panikstörung und 42 Kontrollpersonen zunächst der Ausgangszustand im Hirnscanner bestimmt. Anschließend absolvierten die Patienten zwölf Wochen lang zwei Mal wöchentlich eine verhaltenstherapeutische Sitzung mit einem Therapeuten. Danach wurden alle Probanden erneut im Hirnscanner untersucht.

Das Ergebnis: Zu Beginn der Studie waren bei den Patienten mit Panikstörung bestimmte Hirnregionen deutlich aktiver als bei den gesunden Kontrollpersonen. So war unter anderem ein Teil ihrer vorderen Großhirnrinde, der sogenannte inferiore frontale Cortex, stärker durchblutet und damit auch in Ruhe stärker erregt. Zusätzlich war bei ihnen ein Teil dieses Bereichs stärker mit den Angstzentren des Gehirns verknüpft, darunter der Amygdala und der sogenannten Insula. Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass eine Panikstörung nicht nur auf rein emotionaler Ebene abläuft, sondern auch kognitive Prozesse und Schaltkreise dabei eine Rolle spielen.

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Hirnaktivität wieder auf Normalniveau

Nach zwölf Wochen Psychotherapie zeigten sich deutliche Veränderungen im Gehirn der Patienten: Die Aktivität in ihrem Stirnhirn war gesunken und hatte sich auf das Normalniveau reduziert. Auch die verstärkte Verknüpfung zu den Angstzentren hatte sich gebessert. Die Studie sei damit die erste, die Effekte von kognitiver Verhaltenstherapie auf messbare neuronale Merkmale bei Panikpatienten nachweise, sagen die Forscher. Zudem scheine die kognitive Verhaltenstherapie nicht primär auf emotionale Prozesse, sondern eher auf kognitive Prozesse zu wirken. Das zeige sich an den von der Verbesserung betroffenen Hirnarealen.

Diese Erkenntnis könnte nach Meinung der Wissenschaftler dazu beitragen, Therapieverfahren weiter zu optimieren, um Patienten mit Panikstörung und deren Folgen noch effizienter therapieren zu können. Weitere Analysen dazu sollen zum Beispiel Aufschluss darüber geben, ob genetische Veranlagungen der Patienten die neuralen Prozesse sowie den Erfolg der Therapie beeinflussen. Klären wollen die Forscher auch, ob sich anhand bestimmter Merkmale bereits vor Beginn einer Therapie vorhersagen lassen könnte, ob diese beim Betroffenen anschlägt oder nicht. (Biol Psychiatry, 2013; doi:10.1016/j.biopsych.2012.07.026)

(Philipps-Universität Marburg, 04.01.2013 – NPO)

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