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Biologie

Bonobos: Fremde bevorzugt

Menschenaffen teilen lieber mit unbekannten Artgenossen als mit ihren Freunden

Männlicher Bonobo (Pan paniscus) im Schutzgebiet Lola ya Bonobo in der Demokratischen Republic of Congo © Evan MacLean / gemeinfrei

Bonobos gehören zu unseren nächsten Verwandten und gelten als Musterbeispiele für soziales Verhalten. Doch in einem Punkt scheinen die Menschenaffen erstaunlich unsozial: Wenn es ums Teilen geht. So ist es für uns selbstverständlich, dass wir unser Essen oder eine Süßigkeit lieber mit einem Freund teilen als mit einem Wildfremden. Bei den Bonobos aber ist es umgekehrt. Das zeigt ein Experiment US-amerikanischer Forscher in einem Schutzgebiet in der Demokratischen Republik Kongo.

Vor die Wahl gestellt, verschafften die Bonobos in neun von zehn Fällen nicht dem bekannten Gruppenmitglied den Zugang zum Futter, sondern dem Fremden – und dies auch dann, wenn sie selbst leer ausgingen, wie die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten. Für die normalerweise sehr sozialen Menschenaffen sei dies auf den ersten Blick ein ungewöhnliches Verhalten.

Netzwerken auf Affenart

„Uns erscheint das verrückt, aber die Bonobos erweitern auf diese Weise ihr soziales Netzwerk“, erklärt Studienleiter Brian Hare von der Duke University. Indem sie ihr Futter teilen, bauen sie zu dem noch unbekannten Artgenossen eine soziale Beziehung auf – etwas, das ihnen später nützlich sein könnte. Zu ihren Gruppenmitgliedern existiert dagegen schon eine solche Bindung, sie durch Futter zu stärken, halten die Bonobos offenbar nicht für so nötig. Wie die Wissenschaftler berichten, unterscheiden sich die Bonobos durch dieses strategische Sozialverhalten deutlich von den mit ihnen eng verwandten Schimpansen, aber auch vom Menschen. Denn wir neigen dazu, zunächst mit unseren Freunden zu teilen, dann erst mit einem Fremden.

Ihre Studie führten die Forscher mit 14 Bonobos des Lola ya Bonobo Schutzgebiets nahe der Stadt Kinshasa durch. In diesem Reservat finden vor allem junge Bonobo-Waisen Zuflucht. In ihrem ersten Experiment ließen die Wissenschaftler einen der Bonobos in ein zentrales Gehege, in dem sich bereits ein Futterhaufen befand. In einem angrenzenden Gehege saß ein Mitglied der gleichen Affengruppe und in einem anderen ein dem Testbonobo fremder Artgenosse. Der Bonobo konnte nun entscheiden, ob er das Futter allein fressen, oder aber einem oder beiden Artgenossen die Tür öffnen und ihm so Zugang zum Zentralgehege und dem Futter verschaffte.

Der Bonobo hat den fremden Artgenossen zu sich geholt © Duke University (Klick für youtube-Video)

Fremde bevorzugt

Das Ergebnis: Neun von 14 Bonobos ließen den fremden Artgenossen aus seinem Gehege und teilten das Futter mit ihm. Ihr Gruppengenosse erhielt nur dann Zugang zum zentralen Gehege, wenn sich der Fremde erbarmte und ihm die Tür öffnete – was erstaunlich häufig geschah. Auch dieses Verhalten sei ungewöhnlich, erklärt Erstautor Jingzhi Tan von der Duke University. Denn damit setze sich der Fremde freiwillig der Überzahl von zwei miteinander bekannten Bonobos aus. „Ein Schimpanse würde so etwas niemals tun“, sagt Tan. Futterneid oder aggressive Reaktionen – wie bei Schimpansen an der Tagesordnung – seien zudem zwischen den Bonobos in den insgesamt 51 Testdurchgängen nicht einmal vorgekommen.

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In einem zweiten Test konnten die Bonobos zwar einem der beiden anderen Affen Zugang zum Futter verschaffen, bekamen aber selbst nichts davon ab. Selbst in diesem Falle entschieden sich neun von zehn Tieren mindestens einmal dafür, dem ihnen unbekannten Artgenossen die Tür zum Futter zu öffnen statt ihrem Gruppenmitglied, wie die Wissenschaftler feststellten.

Keine anonymen Spenden

Ganz anders sieht es aber aus, wenn die Bonobos das Teilen nicht zum „Netzwerken“ einsetzen können, wie ein drittes Experiment zeigte. Bei diesem konnte die Affen zwar teilen, bekamen aber keine Gelegenheit, mit ihren Artgenossen in Kontakt zu treten. In diesem Falle war ihre Entscheidung klar: Sie gewährten weder dem Fremden noch ihrem Kumpel Zugang zum Futter.

„Wenn sie keinen sozialen Nutzen davon haben, teilen die Bonobos auch nicht“, erklärt Hare. In diesem Punkt unterscheide sich der Bonobo vom Menschen, denn dieser gebe häufig auch dann etwas ab, wenn er den Empfänger nicht persönlich kenne, beispielsweise bei einer Spende oder im Spielexperiment. „Bonobos kümmern sich auch um andere – aber nur dann, wenn sie auch etwas davon haben“, sagt Hare.(PloS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0051922)

Dieses Video der Forscher auf Youtube zeigt die Bonobos beim Teilen ihres Futters

(Duke University / PLoS ONE, 03.01.2013 – NPO)

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