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Neurobiologie

Weniger Stress am Arbeitsplatz?

Forscher entwickeln neues Analyseverfahren zur Bewertung psychischer Belastungen bei der Arbeit

Jobstress © SXC

Um krankmachende Faktoren am Arbeitsplatz zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken, haben Psychologen ein Verfahren entwickelt, das Belastungsgründe aufspüren und einen Lösungsansatz liefern soll. Anders als bei Systemen, die sich auf die subjektiven Einschätzungen von Mitarbeiten und Führungspersonal stützen, sollen in dem an der Universität Heidelberg entwickelten Instrument möglichst objektiv Stressfaktoren durch Außenstehende gemessen werden. Das „Instrument zur Analyse psychischer Belastungen“ (IAPB) wird bereits in der Automobil-, in der chemisch-pharmazeutischen sowie der Stahlindustrie und im Touristik- oder Logistikbereich eingesetzt.

„Ausgangspunkt war die empirisch belegbare Zunahme psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vor dem Hintergrund vielfältiger technologischer und organisatorischer Veränderungen“, erklärt der Leiter der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie, Karlheinz Sonntag. Neben den individuellen Folgen für den Mitarbeiter betrifft dies durch die Zunahme von Arbeitsunfällen, krankheitsbedingten Fehlzeiten und Fluktuation auch den Arbeitgeber. „Deshalb sollte es im Eigeninteresse des Unternehmens und in der Verantwortung des Arbeitgebers liegen, psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu ermitteln und negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu vermeiden“, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Mehrschrittige Analyse

Das von den Psychologen entwickelte IAPB soll dabei den aktuellen Forschungsstand mit der jeweiligen konkreten Situation vor Ort vereinen. Dabei gehen die Wissenschaftler in mehreren Schritten vor: Zunächst wird in der Entwicklungsphase das Verfahren in Zusammenarbeit mit Vertretern des Unternehmens wie Arbeitsmedizinern, Betriebsrat und Führungskräften an den spezifischen Kontext angepasst.

Danach werden die einzelnen Arbeitsplätze von Analyseteams begangen und die Beobachtungen aufgezeichnet. Bei der Analyse der Belastungslast spielen dann Arbeitskomplexität, Arbeitsunterbrechungen, Kooperationserfordernisse, Verantwortungsumfang und Handlungsspielraum eine Rolle. Dabei gehen die Heidelberger davon aus, dass sich Belastungen nicht, wie in gängigen Modellen üblich, auf eine Dimension reduzieren lassen. Sie ermitteln deshalb kritische Belastungskombinationen, die nach ihrer Ansicht Symptome wie Stressempfinden, Ermüdungsgefühl, Erschöpfung, Gereiztheit oder ähnliches mit sich bringen.

Fallen beispielsweise ein niedriger Handlungsspielraum und eine hohe Kundenorientierung zusammen, kann dies dazu führen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin in einen Konflikt zwischen vereinbarten Regeln und Kundenwünschen geraten. Wenn den Angestellten etwa nicht genug Spielraum zugestanden wird, kann dies ein situationsbezogenes Reagieren erschweren. In einem konkreten Fall, der die Mitarbeiter in Beratung und Verkauf eines Unternehmens betraf, haben die Heidelberger Wissenschaftler daraufhin beispielsweise in Abstimmung mit den Mitarbeitern und den Unternehmensvertretern ein flexibles Beratungssystem eingeführt. Dies soll jetzt erlauben individueller auf Kundenwünsche einzugehen.

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Zufriedenheit soll Wettbewerbsfähigkeit erhöhen

„Nur durch eine sorgfältige Diagnostik können geeignete Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes abgeleitet werden.“ Diese sollten dann neben dem gesundheitlichen Wohlbefinden auch die Zufriedenheit und Motivation der Beschäftigten fördern, was gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessere, erläutert Sonntag. „Die Attraktivität des Verfahrens liegt in seiner einfachen Durchführung, der objektiven Beurteilung durch ein Analyseteam und in seiner konsensorientierten Strategie.“

Denn nicht nur in der medialen Präsenz zeige sich, dass ein Bedarf nach solcherlei detaillierten Belastungsanalysen vorhanden sei.

(Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 20.12.2012 – KBE)

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