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Medizin

Fingerabdruck von Viren identifiziert

Künstliche „Nano-Viren“ könnten neue Therapieformen ermöglichen

Um eindringende Krankheitserregern adäquat bekämpfen zu können, muss der Organismus wissen, ob es sich um Bakterien oder Viren handelt. Das Immunsystem bezieht diese Information über spezielle Rezeptoren, die molekulare Fingerabdrücke erkennen und so Bakterien von Viren unterscheiden. Während die speziellen Eigenheiten von Bakterien schon seit längerer Zeit bekannt sind, weiß man erst seit kurzem, dass das Immunsystem bestimmte molekulare Merkmale von viralen Nukleinsäuren wie Fingerabdrücke aufspürt und dann in eine Immunantwort umsetzt, die sich gezielt gegen Viren richtet. Münchner Medizinern ist es jetzt gelungen, solche Nukleinsäure-Merkmale zu identifizieren.

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Ob es sich um Viren oder Bakterien handelt, entscheidet eine Gruppe von Rezeptorproteinen des Immunsystems, die sogenannten Toll-ähnlichen Rezeptoren. Diese Rezeptoren sind spezialisiert auf die Erkennung von molekularen Fingerabdrücken, sei es von Bakterien oder Viren. Die Funktionsweise der Virenerkennung durch das Immunsystem und seine Reaktion zum Schutz des Organismus sind erst seit kurzem bekannt. Wie bei den Bakterien sind die molekularen Eigenschaften der Viren entscheidend. Gleich einem Fingerabdruck weisen sie die Eindringlinge gegenüber dem Immunsystem als Viren aus, das Immunsystem kann entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Wird es möglich, die Fingerabdrücke von Viren „nachzubauen“, könnten sich damit völlig neue Therapieformen für Viruserkrankungen aber auch für Krebs ergeben.

24 Basen überführen Virus

Der Forschungsgruppe von Dr. med. Gunther Hartmann aus der Abteilung für Klinische Pharmakologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ist es gelungen, solche Nukleinsäure-Merkmale von Viren zu identifizieren. Eines dieser Merkmale ist das sogenannte CpG-Motiv, ein kurzer Abschnitt Nukleinsäure von nur sechs Basen Länge in einer bestimmten Anordnung. Ein kurzes Nukleinsäure-Stückchen von 24 Basen Länge, das dieses CpG-Motiv mehrmals enthält, ist das sogenannte CpG-Oligonukleotid 2006. Dieses CpG-Oligonukleotid kann synthetisch in großem Maßstab hergestellt werden und befindet sich derzeit bereits weltweit als neue Therapieform in der klinischen Prüfung.

Seit der Identifizierung des CpG-Motivs haben die Münchner Forscher um Hartmann weitere CpG-haltige Nukleinsäure-Stückchen entwickelt, mit denen es erstmals möglich war, körpereigene Immunzellen zur Produktion von großen Mengen an Interferon zu stimulieren. Dies war bislang nur mit Viren selbst möglich. Interferon wird künstlich hergestellt und ist eines der weltweit umsatzstärksten biologischen Arzneimittel. Interferon wird vor allem für die Therapie der chronischen Virushepatitis, aber auch von bestimmten Krebs-

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erkrankungen eingesetzt. Mit den von Hartmann entwickelten Nukleinsäure-Stückchen wird über die Induktion von natürlichem Interferon im Körper hinaus zusätzlich eine geordnete Folge von Immunreaktionen hervorrufen, die sich in ihrer Gesamtheit gezielt gegen den Virus richten. Damit erwarten die Forscher eine wesentliche Verbesserung des Therapieerfolgs gegenüber künstlichem Interferon allein.

“Nano-Viren“ aktivieren Immunsystem

Der technische Trick, mit dem die Forscher diese virusartige Stimulation des Immunsystems erreicht haben, ist das Zusammenfügen dieser Nukleinsäure-Stückchen zu sogenannten Nanopartikeln, die die Größe von Viren besitzen, und die allein aus Nukleinsäure bestehen. Diese winzigen Nanopartikel wurden in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Wolfgang Heckl vom Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilans-Universität, Center of Nanoscience, mit einem Verfahren aus der Nanotechnologie, der sogenannten Raster-Kraft-Mikroskopie, sichtbar gemacht. Seit kurzem ist bekannt, dass insgesamt vier Mitglieder aus der Gruppe der

Toll-ähnlichen Rezeptoren Merkmale von viralen Nukleinsäuren aufspüren. Durch die Verknüpfung von Nukleinsäure-Stückchen, die diese verschiedenen Virus-typischen Fingerabdrücke enthalten, zu Nukleinsäure-Nanopartikeln soll nun die Aktivität dieser neuen Therapeutika weiter gesteigert und für die Therapie von verschiedenen Erkrankungen angepasst werden. Da bislang eine virusartige Stimulation des Immunsystems nicht verfügbar war, diese

aber auch für eine erfolgreiche Immuntherapie von Tumoren essenziell ist, hoffen die Münchner Forscher dabei auf Fortschritte nicht nur im

Kampf gegen Viruserkrankungen sondern auch gegen Krebs. Mit diesen Arbeiten nehmen die Münchner Forscher auf diesem Forschungsgebiet international eine Spitzenposition ein.

(Universität München, 13.09.2004 – ESC)

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