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Medizin

Forscher filmen Ungeborene beim Gähnen im Mutterleib

Das typische Mundaufreißen wird bei den Kindern im Laufe der Schwangerschaft seltener

Aufnahme eines Ungeborenen beim Gähnen © Reissland et al. / PloS ONE

Wenn das Ungeborene auf dem Ultraschallbild den Mund weit aufreißt, gähnt es wahrscheinlich gerade. Denn britische Forscher haben festgestellt, dass Kinder im Mutterleib dieses Verhalten sogar doppelt so häufig zeigen wie das normale Mundöffnen. Das ergab die Analyse hochauflösender 3D-Ultraschall-Filmaufnahmen von 15 Ungeborenen zu verschiedenen Zeiten der Schwangerschaft. Anhand dieser Aufnahmen habe man auch erstmals verfolgen können, wie sich das Gähnverhalten im Laufe der Entwicklung des Kindes verändere, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“. Es werde von der 28. Schwangerschaftswoche an weniger – möglicherweise, weil dann ein wichtiger Abschnitt der Gehirnentwicklung allmählich abgeschlossen werde.

Erwachsene gähnen normalerweise, weil sie müde sind oder weil ihnen ein anderer Mensch etwas vorgegähnt hat. Typischerweise verläuft ein Gähnen dabei so: „Man öffnet langsam den Mund sehr weit und atmet dabei tief ein. Dann folgt ein kurzes Ausatmen und die Kiefer schließen sich relativ schnell wieder“, beschreiben Nadja Reissland von der University of Durham und ihre Kollegen den Vorgang. Auch Ungeborene reißen ab und zu den Mund weit auf. Bisher sei jedoch umstritten gewesen, ob es sich dabei um ein dem Gähnen vergleichbares Verhalten handele oder einfach nur um bloßes Mundöffnen.

Warum Kinder im Mutterleib gähnen, sei ebenfalls noch immer unklar. „Im Gegensatz zu uns tun sie dies nicht, weil sie müde sind“, erklärt Erstautorin Reissland. Auch die Vermutung, dass zu wenig Sauerstoff oder zu viel Kohlendioxid im Blut des Kindes für das Mundaufreißen sorge, habe sich inzwischen als falsch erwiesen. Die neuen Beobachtungen liefern nun neue Hinweise auf mögliche Zusammenhänge. Denn die Gähnhäufigkeit nahm bei allen beobachteten Ungeborenen im Laufe der Schwangerschaft deutlich ab.

Die Forscher halten es daher für wahrscheinlich, dass das Gähnen Verhalten nicht an die momentane Aktivität oder Befindlichkeit des Kindes gekoppelt ist, sondern an seinen Entwicklungszustand. „Unsere Befunde stützen die Theorie, nach der das Gähnen mit der Reifung des zentralen Nervensystems zusammenhängt“, sagen Reissland und ihre Kollegen. Ob das tatsächlich der Fall sei, müsse man nun aber in weiteren Studien untersuchen.

Abfolge von Ultraschall-Aufnahmen eines Ungeborenen beim Gähnen (links) und beim normalen Mundöffnen; typisch für das Gähnen ist die langsamere Anfangsphase. (Apex = Höhepunkt der Mundöffnung) © Reissland et al. / PloS ONE

Ungeborenen auf den Mund geschaut

Um in ihrer Studie echtes Gähnen vom normalen Mundaufreißen unterscheiden zu können, betrachteten Reissland und ihre Kollegen den zeitlichen Ablauf dieses Verhaltens. „Wir haben gemessen, wie lange es jeweils vom Mundöffnen bis zur vollen Größe dauerte und dann von dort bis zum Mundschluss“, erklären sie. Wenn die Öffnungsphase länger dauere als das Schließen, handele es sich typischerweise um ein Gähnen. Nach gängiger Definition nehme dabei die Öffnung bis zu drei Viertel der Gesamtzeit in Anspruch.

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Die Forscher zeichneten mit hochauflösenden Ultraschallgeräten das Verhalten von acht weiblichen und sieben männlichen Ungeborenen jeweils in der 24., 28., 32. und 36. Schwangerschaftswoche auf. Jede Aufnahmephase dauerte dabei 20 Minuten. „Insgesamt filmten wir dabei 56 mal ein Gähnen und 27 Mal ein normales Mundöffnen“, berichten die Wissenschaftler. Im Durchschnitt hätten die Ungeborenen sechs Mal in der Stunde gegähnt, aber nur knapp drei Mal so den Mund geöffnet. Die meisten Gähner seien in den ersten Aufnahmen zu sehen, gegen Ende der Schwangerschaft dagegen nur noch wenige. (doi:10.1371/journal.pone.0050569)

(PloS ONE, 22.11.2012 – NPO)

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