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Umwelt

Gläserne Ur-Tausendfüßer in Brasilien entdeckt

Seltene Art könnte ein Höhlengebiet vor Erzschürfern retten

Höhlen-Urtausendfüßer: Die Tiere sind aufgrund der Reduktion ihres Kalkpanzers fast durchsichtig. Deutlich sind hier die Eier zu erkennen. Das schützende Kalkskelett wurde im Verlauf der Evolution vermutlich aufgrund der Abwesenheit von Fressfeinden in der Höhle fast vollständig reduziert. Die Tiere sind dadurch extrem zerbrechlich. © Universität Lavras in Minas Gerais (UFLA)

Brasilianische Forscher haben in einer Erzhöhle einen bisher unbekannten gläsernen Tausendfüßer entdeckt. Das bisher taxonomisch nicht erfasste Tier ist aufgrund eines reduzierten Panzers durchsichtig. Verwandte Arten waren bereits in anderen Erdteilen bekannt, in Brasilien allerdings ist dies der erste Fund. Zudem haben die Wissenschaftler damit erstmals auch lebende Exemplare dieser Tausendfüßer-Gruppe entdeckt. Die Einzigartigkeit dieser Tausendfüßler könnte auch zu einem Abbau-Stopp der Erze in den betreffenden Höhle führen.

Thomas Wesener vom Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig (ZFMK), staunte nicht schlecht, als er im Januar eine E-Mail mit Bildern aus Brasilien erhielt. Die Forscher der Universität Lavras um Rodrigo Lopes Ferreira hatten in einer Höhle in Brasilien merkwürdige Tausendfüßer fotografiert, die sie nicht zuordnen konnten. Die Fotos zeigen weiße, durchsichtige Exemplare dieser Gliederfüßer. Anhand von konservierten Proben, konnten die ausschließlich in Höhlengebieten Brasiliens vorkommenden Tiere mittels Elektronenmikroskopie bestimmt werden. „Schnell stellte sich heraus, dass es sich um eine neue, noch unbeschriebene Art handelt“, erläutert Wesener.

In Anpassung an das offenbar geschützte Höhlenleben ist die Kalkrüstung dieser Tausendfüßer so sehr reduziert, dass die Tiere gläsern-durchsichtig erscheinen. Sie seien zudem mit einer Länge von zehn Millimetern für die Ordnung Glomeridesmida ungewöhnlich groß, sagt Wesener. Die Glomeridesmida gehören zu den ältesten Landlebewesen und ursprünglichsten Tausendfüßern. Sie bewohnen die Erde bereits seit 350 bis 400 Millionen Jahren und sind somit lebende Relikte vergangener Zeiten. Nur noch 31 Arten sind von ihnen bekannt, die weitverstreut und isoliert über die ganze Erde verteilt leben. In Mittelamerika, der Karibik, Indien und Indonesien hatte man bereits Vertreter der äußerst seltenen Art entdeckt. In Brasilien war bisher nichts von deren Existenz bekannt.

Tausendfüßer kann Höhlen retten

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Körpersegments der neu entdeckten Art. Das Außenskelett ist sehr dünnwandig und nur an einigen Stellen durch Knoten verdickt. Die Bilder sind Schwarz-weiß, da sie durch einen Elektronenstrahl und nicht durch einen Lichtstrahl entstehen. © T. Wesener, ZFMK, Bonn

Die Höhlen, in denen die Glomeridesmida leben, befanden sich ursprünglich im brasilianischen Regenwald. Dieser ist jedoch inzwischen gerodet und in Ackerland umgewandelt worden. Seit 2008 sind nun auch die Höhlen als Lebensräume nicht mehr geschützt und können etwa für die Gewinnung von Erzen wirtschaftlich genutzt werden. Auch nahe dem Gebiet, in welchem Rodrigo Lopes Ferreira nun die seltenen Insekten fand, werden Höhlen bereits für den Rohstoffabbau genutzt.

Auswertung der Satellitenbilder zwischen 2006 und 2012 zeigen bereits deutlich den negativen Einfluss der Bergbautätigkeiten, der vor vier Jahren, nach Aufhebung des Höhlenschutzes, einsetzte.

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Da die von den Tausendfüßern bewohnten Höhlen ebenfalls Eisenerze bergen, sind auch sie von einer Zerstörung durch den Erzabbau bedroht. Eine Ausnahme-Regelung besteht jedoch für Höhlen mit einzigartigen Tiervorkommen. Sie können auch weiterhin unter Schutz gestellt werden.

„Die Forscher aus Deutschland und Brasilien mussten schnell an der Beschreibung der neuen Art arbeiten, denn erst mit der jetzt erfolgten Publikation kann der bedrohte Höhlenlebensraum offiziell unter Schutz gestellt werden, “ erzählt Wesener. Man sehe hieran, wie wichtig die Arbeit der Taxonomen und Artenspezialisten sei, um den Erhalt der Biodiversität auf der Erde zu gewährleisten ergänzt Wolfang Wägele vom ZFMK.

(Museum Alexander Koenig, 19.11.2012 – KBE)

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